Sieg und Niederlage, oder der Lohn der Angst

Wo eine Mayumi ist dürfen auch schnelle Autos nicht fehlen. So auch beim Subaru Newcomer-Cup. Rote und schwarze Sportcoupes fahren um die Wette. Und ich bin mit dabei. Möglich gemacht hat das mein Schwiegervater, als leicht verspätetes Geburtstagsgeschenk. Aber dies wird kein weiterer Bericht über Boliden sein, nicht überall wo Auto draufsteht, ist auch Auto drin.

Wie soll das gehen mögen sich nun manche Leser fragen. Ein Schaf unter lauter Wölfen? Sie werden es zerreißen. Aber weder bin ich ein Schaf noch das vielzitierte Kaninchen, das wie hypnotisiert vor der Schlange sitzt. „Angst ist eine Spiegelung des Wissens um unsere Abhängigkeiten im Leben“, hat eine kluge Frau einst geschrieben. Für mich ist Angst nur ein weiteres Gefühl. Und mit Gefühlen kann ich gut.

Nun gehört eine gewisse Angst durchaus zum guten Ton. Und wer keine hat, ist kein weiterer Held. Nur Narren behaupten keine Angst zu haben. Und eine Närrin bin ich nicht. Vielleicht eine Clownin. So dann und wann zumindest. Aber eine, die viel besser lacht. Und vor allem weiß ich warum.

Das Leben hält eine Vielfalt von Herausforderungen für uns bereit. Aber viele Menschen weichen ihnen aus, sie wollen sich nicht stellen. Eingepfercht in den Käfig ihrer Seele verpassen sie ihr Leben. Aber lieber sitze ich beengt im Cockpit eines schnellen Wagens, als mich hinter verschlossenen Türen zu verstecken. Die bringen mich nirgendwo hin.

Es herrschen ideale Bedingungen an diesem Tag. 23 Grad und kein Regen in Sicht. Die Strecke ist trocken, die Stimmung gut. Ich treffe auf Menschen, die ich sonst nur aus dem Fernsehen, oder Zeitungen kenne. RennfahrerInnen, die mit Autos ihr Geld verdienen. Nur Cindy Allemann leider nicht. Denn die ist wirklich schnell.

Yuki ist aufgeregt. Auch sie trägt einen Rennanzug, auch sie darf fahren. Ihr glaubt doch nicht, dass ich einen Meter ohne meine Elfe mache? Seit wir ein Paar sind, haben unsere Eltern bekanntlich zwei Töchter. Und wo die eine ist, da ist die andere nie weit. Rot und Schwarz sind Farben, die Mann für uns ausgesucht hat. In diesem Fall mein Schwiegervater. Ratet welche meine ist.

Subaru und Toyota haben das Sportcoupe vor einigen Jahren völlig neu entwickelt. Boxermotor und Heckantrieb verteilt auf 200 PS. Subaru BRZ und Toyota GT 86 sind Namen, die unsere Frauenherzen höher schlagen lassen. Aber Angst vor dem Unbekannten ist das nicht. Warum sollten wir die haben?

Mein ganzes Leben lang, habe ich Situationen gekonnt analysiert. Ich weiß genau wann ich wie zu handeln habe. Und lebensmüde mögen andere sein. Auch mein Selbstbewusstsein kennt Grenzen. Und so manchem „Kampf“ weicht man besser aus. Auch das ist dann ein Sieg. Aber was soll in diesen Wagen schon passieren? Ein Überrollkäfig und Airbags machen sie narrensicher. Ha ha, said the Clown.

Das Schlagwort „Mut zum Risiko“, wird meist falsch gedeutet. Unkalkulierte Risiken gehe ich niemals ein. Zwar mag der Alltag oft Risiken bergen, aber es gibt fast immer einen zweiten Weg. Man muss ihn nur erkennen. Geholfen hat mir dabei mein Vater, er hat mich diese Dinge gelehrt. Und das „Buch der fünf Ringe“, von Miyamoto Musashi. Es ist (m)ein Standardwerk.

Die Autos stammen aus keiner Serie, sie sind alle umgebaut. Ein wassergekühlter Kompressor bringt sie auf auf Touren. Aber Leistung kennt keine Grenzen und die Ingenieure waren fleißig. Cosworth-Tuning lässt uns das Rennen mit satten 380 PS fahren. Das ist richtig viel für einen so leichten Wagen. Und 300 km/h Spitze kein wirkliches Problem. Kann mir jemand folgen?

Die Autos beider Hersteller sind baugleich und unterscheiden sich nur in Kleinigkeiten. Ich darf einen Subaru fahren. Schwarzgoldene 18 Zoll Felgen bilden einen scharfen Kontrast zum roten Lack. Und das Lenkrad auf der rechten Seite. Ich bin es auf der linken Seite gewohnt. Aber auch mit der scheinbar falschen Hand lässt sich prima schalten. Und das kann ich in jeder Lebenslage gut.

Der Wagen fährt sich fast neutral, das Fahrwerk ist super abgestimmt. Und driften habe ich gelernt, daran ändert sich auch in Japan nichts. Und vielleicht kann ich das sogar besser, als die Ideallinienfahrer. Denn jeder Drift kostet wertvolle Zeit. Und das sind die kaum gewohnt. Und Kurven gibt es eine Menge. Und auch im Leben geht es nicht immer nur geradeaus.

Es geht an diesem Tag nicht um den Sieg. Spaß steht im Vordergrund. Ich stelle mich einer neuen Aufgabe, die mich fordert. Zögern war noch nie mein Ding. Immerhin dürfen wir auf dem Kurs vor dem Rennen üben, Rechtslenker sind für Europäer dann doch ein Problem. Aber wir haben eine Menge Spaß, das ist die Sache wert. Und die Reifen quietschen.

Need for Speed und Tokio Drift sind Filme, die mich begeistert haben. „Fast“ sind wir dann unterwegs und „furious“ natürlich auch. Meine Elfe ist dicht hinter mir und hat mich einmal überholt. Aber Gewinner sehen anders aus. Immerhin werde ich nicht Letzte. Und auch Yuki kommt gut ins Ziel. Überglücklich fliegt sie in meine Arme. Verloren haben immer die anderen. Wir sind zusammen, das ist unser Sieg.

Meine Frau, das (un)bekannte Wesen

Ingar Bergmans Film „Szenen einer Ehe“ ist ein Klassiker. Für mich sind solche Filme stets interessant, gewähren sie mir doch zumindest filmisch Einblick in eine Welt, die ich nicht kenne und nur schwer verstehe. Auf der Fahrt zur Uni fiel mir der Titel ein, als wir ein heftig streitendes Paar am Straßenrand bemerkten. Spontan habe ich mit meiner Frau ein Interview geführt. Da sie heute den Toyota fährt, hatte sie keine Chance und ich konnte in Ruhe tippen.

„Sag, bist du eigentlich glücklich?“
Yukis sanfter Blick ließ mein Herz schneller schlagen.
„Du bist doof,“ sagte sie und schaltete in den nächsten Gang.
„Ich weiß,“ erwiderte ich mit breitem Grinsen. „Jetzt sag halt, bist du glücklich? Und warum? Ich will meinen Lesern doch …“
„Morgen erstelle ich meinen eigenen Blog,“ kündigte Yuki an, ohne auf meine Frage einzugehen.
„Wieso das denn jetzt?“
„Na da blamiere ich dich dann und verrate allen, dass du nicht kochen kannst.“
„Hey, wohl kann ich kochen!“
„Ach ja? Und warum muss ich dir dann immer helfen?“
„Weil du das gern machst?“
Yuki schwieg, konnte aber ihr elfenhaftes Lachen nicht verbergen.
„Ich wollte dich doch interviewen,“ begann ich erneut.
Yuki verdrehte die Augen.
„Schreib doch einfach die Wahrheit,“ sagte sie. „Du weißt doch wie ich denke und fühle.“
„Ja, aber das macht keinen Spaß! Ich mag deine Worte hören. Bitte!“
„Ich liebe dich,“ sagte Yuki. „Schreib das doch.“
„Du bist doof,“ sagt ich und klappte den Laptop zu. „Ich rede jetzt nicht mehr mit dir.“
„Wie lange willst du das aushalten?“
„Mindestens … ach menno!“
Yuki warf mir einen Kuss zu. „Was kochen wir heute?“
„Du meinst was ich koche!“
„Seit wann kannst du kochen?“
„Ich koche gleich vor Wut!“

In diesem Stil ging es die ganze Fahrt weiter. Außenstehende wittern nun vielleicht die erste Ehekrise. Für uns ist das lediglich ein Spiel. Es gibt kein Thema über das wir nicht reden können. Und manchmal schweigen wir auch und schauen uns nur an. Diese kleinen Wortgefechte mögen für Viele nun befremdlich wirken. Aber sie sind ein wichtiger Teil unseres Lebens. Ebenso wie das gemeinsame Kochen, Sport, oder ein Spaziergang in der Natur. Aber bei aller Nähe haben wir doch jede ihren eigenen Kopf. Und gegen Yukis sanfte Argumente gewinne ich längst nicht immer. Und das ist auch gut so.

An der Uni angekommen standen uns die Tränen in den Augen vor Lachen. Ich schnappte nach Luft und griff nach Yukis Hand.
„Ich bin glücklich,“ sagte ich bevor wir zur Vorlesung gingen. „Was würde ich nur ohne dich machen?“
„Verhungern!“

Ist dieses (un)bekannte Wesen nicht allerliebst? 😀