Dieser Beitrag ist noch vor unserer Abreise nach Los Angeles entstanden und hat es erst jetzt auf meinen Blog geschafft.
Bekanntlich hatte ich meine Cousine nach Deutschland geholt, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Ihre Töchter waren begeistert und haben unsere Herzen im Sturm erobert. „Tante Yumi mach mal Spaß!“, war noch die harmlose Variante ihrer Begeisterung.
Karate ist ein Fremdwort in der Familie meiner Mutter. Diese Tradition hat sich über meinen Vater an mich vererbt. Nur mein Onkel ist als Polizist damit vertraut. Die Mädchen trainieren tapfer mit, als wir sie mit ins Training nehmen. Sie haben das schon öfter gemacht und ihre Mutter schaut immer dabei zu. Meine Cousine ist etwas älter als ich, wir hatten nie sehr innigen Kontakt. Vermutlich war ich ihr zu wild, ich habe immer nur mit Cousin Ken gespielt.
Trotzdem ist unser Verhältnis gut, in unserer Familie gibt es keinen Streit. Unsportlich war meine Cousine nie, sie hat in der Schule Leichtathletik gemacht. Aber das ist nun schon eine Weile her. Seit der Geburt der Kinder ist sie Hausfrau gewesen.
Die Mädchen zeigen uns stolz ihr Können, meine Cousine lächelt und freut sich für sie. „Was wäre, wenn du es auch versuchst?“, stelle ich die entscheidende Frage. Yuki schaut mich an, sie weiß was jetzt passiert.
Cousinchen reagiert auf typisch japanische Art, sie lächelt verlegen und hält sich die Hand schnell vor den Mund. „Ja, ja, ja, Mama!“, rufen die Mädchen im Chor und auch die anderen Frauen nicken. Die Trainerin macht sowieso was ich sage, sie war früher meine Schülerin.
Es macht nun keinen Sinn im Einzelnen auf das Training einzugehen. Geholfen hat es, was nicht immer selbstverständlich ist. Die Depression meiner Cousine ist durch den Schock des Betruges ausgelöst worden, auch wenn es schon vorher in der Ehe kriselte.
In langen Gesprächen haben wir die Wahrheit erfahren. Schon als sie 2015 zu Besuch in Deutschland war gab es kleinere Probleme. Die Details bleiben privat. Wer länger verheiratet ist, wer vielleicht selbst schon eine Scheidung hinter sich hat, wird wissend nicken. Ehekrisen sind weltweit immer gleich.
Während meine Cousine auf ihre Art um die Beziehung kämpfte, hat ihr Mann schon damals andere Frauen gehabt. Er hat es ihr gestanden, was mich in Rage brachte. Prompt habe ich gehandelt. Wie, das wisst ihr bereits.
Seit unserer Rückkehr nach Deutschland trainiert meine Cousine bei uns mit und beweist einiges Talent. Zumindest was die weiche Abwehr von Angriffen betrifft. Nur selbst zuzuschlagen fällt ihr schwer. Dabei ist die Idee fernöstliche Kampfkünste als Therapie einzusetzen nicht neu. In einer Studie hat man bereits an Parkinson Erkrankte ins Karate geholt.
Als ich meine Tante und Ken informiere, zeigen sie sich begeistert. „Barbie-Cousinchen, du bist die absolute Wucht!“, ruft er ins Telefon. „Ja klar“, erwidere ich trocken, „jetzt kann dich auch deine Schwester endlich verhauen.“
Der Psychologe in Los Angeles hat mittlerweile bestätigt, dass die Idee Früchte trägt. Meine Cousine ist auf dem Weg der Besserung. Karate als Therapie! Ich liebe es, wenn (m)ein Plan funktioniert.