Der Tag an dem ich „Geh sterben!“ sagte

„Hate speech“ im Internet ist in aller Munde. Egal ob bei youtube oder Facebook. Viele Kommentare sind die Zeit nicht wert, um sie zu lesen. Dem stimme ich vorbehaltlos zu.

Aber ich möchte auch auf Besonderheiten hinweisen, die wir in Japan kennen. Wir benutzen durchaus Schimpfwörter, die für westliche Ohren wenig schicklich sind. Beispiel(e) gefällig?

Baka, das kontextabhängig als Dummerchen bis Idiot benutzt werden kann und meist in der Gegend von Tokio gesprochen wird. Ahou hat eigentlich die gleiche Bedeutung, aber eigentlich auch nicht.

Ahou zu sagen gilt in Teilen Japans als schwere Beleidigung. Baka dagegen wird oft unter Freunden benutzt und ist eher harmloser Natur. Was in Teilen Japan anders gesehen wird. JapanerIn zu sein ist wirklich schwer!

Aber in Deutschland ist das auch nicht so viel anders. Jedes Bundesland hat seinen eigenen Dialekt. Und was der Bayer lustig findet, ist vielleicht ein Affront in Sachsen.

Yuki und ich necken uns ständig. Sie nennt mich oft Dickerchen, da ich bis zu einem Kilo schwerer bin und ich sie Frechdachs. Und manchmal sagt sie auch Baka zu mir. Seht ihr, wie ich leide?

Ein Rückblick. Ich bin acht Jahre alt. Der Ort Düsseldorf, wieder der Pausenhof der Schule. Vor einem Jahr, habe ich dem fetten Jungen die Nase gebrochen, als er mich hinterrücks zu Boden stieß. Man(n) kennt mich also und dass ich mit Vorsicht zu genießen bin.

Aber da gibt es diesen neuen Jungen. Er starrt und sucht ständig meine Nähe, was sehr unangenehm für mich ist. Schon damals waren mir „Männer“ suspekt.

Als er sich heute in unser Gespräch einmischt schaue ich ihn kurz an und wie aus der Pistole geschossen kommt mein „Geh sterben!“ Während meine LeserInnen nun vielleicht verwundert schauen, wird jeder Japaner nun sofort schmunzeln und verstehen, was hier passiert ist.

„Geh sterben, willst du sterben, stirb“ sind gängige japanische Beleidigungen und Flüche, die niemand ernsthaft so meint. Ich habe damals nur die japanischen Worte (bewusst) falsch übersetzt. Mit Worten traf ich schon immer.

Gemeint habe ich, dass er verschwinden solle. (Geh / Fahr zur Hölle) Aber der Effekt war sehenswert. Sein offener Mund und das Lachen meiner Freundinnen, haben mich zur Siegerin gemacht.

Von diesem Tag an blieb er mir fern. Ich hörte nur, dass er Angst vor mir bekommen hat. „Die hat so böse Augen“, soll er einem Freund gesagt haben, der das seiner Schwester erzählte. Und diese mir. Dabei bin ich ein liebes (B)Engelchen.

„Stirb oder geh sterben“ ist ein sehr verbreiteter Fluch in Japan und selten ernst gemeint. Sonst wären die meisten JapanerInnen Leichen. Und mein Laptop auch.

 

Journalisten heute – Berichte zwischen Freud und Leid

Täglich bin auf der Suche nach Neuigkeiten, ich bin interessiert an Menschen und der Welt. Meist finde ich nur Tod und Leid. Gezielt wird uns grauer Einheitsbrei verkauft, absichtlich werden wir ins Meer der Tränen gestoßen. „Good news are bad news – and bad news are good news“, heißt die Devise für Journalisten. Aber muss das wirklich sein? Wir werden täglich für dumm verkauft und manipuliert. Von einer Sorte Mensch, die sich der Aufklärung verschrieben hat. In Wirklichkeit geht es oft nur noch um Geld.

Freitag, 31. Januar 2014, die Welt online präsentiert auf einen Blick die fünf meistgelesenen Artikel:

1. „Maybrit Illner“ Der „Prophet des Bösen“ antwortet aus Washington
2. Mordprozess Gericht verurteilt Amanda Knox zu 28 Jahren Haft
3. Syrien Assads Folterkammern sind die Hölle
4. Auftragskiller Was es kostet, einen Menschen töten zu lassen
5. Dschungelcamp Tag 14 Tot stellen verhilft Tanja auch nicht zum Rauswurf

Böse, Mord, Folter / Hölle, töten, tot stellen. Fünf mal negative Schlagzeilen, das habt ihr wieder prima gemacht! Ich empfehle noch etwas Homophobie und einen schrecklichen Verkehrsunfall. Natürlich alles mit Todesfolge! Vielleicht noch gewürzt mit der einen oder anderen Naturkatastrophe. Das hätte doch was. Andererseits braucht niemand weichgespülte Nachrichten, oder Neuigkeiten aus dem Dschungelcamp. Das ist Volksverblödung pur. Dann vielleicht doch die Rezension des neuen Pilcher-Romans. Die Welt in rosa ist dann immer noch besser, als Möchtegern, oder Ex-Prominente mit Wurmbefall. Zur Ehrenrettung der Journalisten muss man aber auch klar sagen, dass Leser eine große Mitschuld tragen. Ohne die zahlreichen Klicks auf Leid und Sensationen, verginge der Presse schnell die Lust auf mehr.

Ohne auf Besserung zu hoffen klicke ich auf das Lesezeichen der ZEIT online. Henning Mankell ist an Krebs erkrankt lese ich. Das tut mir natürlich leid. Ulrich Greiner, Kulturkorrespondent der Zeit, schreibt darüber in seiner Kolumne „Fünf vor 8:00.“ Ohne viel zu erwarten fliegen meine Augen über die Zeilen. Dann hole ich tief Luft. Im ersten Moment will ich den Kolumnisten in der Luft zerreißen. Und das kann ich richtig gut! Aber dann schüttele ich den Kopf. Warum sollte ich den Mann attackieren? Er hat durchaus Recht. Auch, wenn er vielleicht nicht immer die passenden Worte findet.

Henning Mankell will den Kampf gegen seinen Krankheit öffentlich machen. Und dagegen schreibt Greiner an. Auf der einen Seite der Autor, der ohne Menschen nicht leben kann, auf der anderen Seite ein Journalist, der vom Leid der Menschen lebt. Wer kanns besser?  Beide leben von- und sterben miteinander. Eine unheilige Koexistenz. Mankell sagt, es ging letztlich ja um Schmerzen und Leiden, die viele Menschen empfänden. Das soll seine Rechtfertigung sein. Leid und den Schmerz anderer ausgebreitet zu finden, erscheint Greiner als eine besonders aufdringliche Form des Narzissmus. Das ist seine Meinung, die bewerte ich nicht. Eher zynisch mutet aber folgende Aussage Greiners an: „Man sollte, wenn man es kann, den großen Todesromanen der Literaturgeschichte einen neuen hinzufügen. Oder lieber schweigen.“

Schade, dass Sie sich nicht an ihren eigenen Satz gehalten haben, Herr Greiner.