Immer wieder wird mir gesagt, wie stark ich sei. Nun hatte ich nie das Pippi Langstrumpf Syndrom und als Supergirl sehe ich mich nicht. Aber schwach, das sind immer nur die anderen. Ich bin immer ich.
Durch Zufall habe ich Robert wieder getroffen – KLICK MICH, ODER LASS ES –. Auch ein „starker Mann“. Der junge Kickboxer arbeitet nun als Security. (S)Ein Traum? Wir werden sehen.
Er erkennt mich sofort und verbeugt sich leicht. Respekt, den ich erwidere.
„Hallo Sensei“, begrüßt er mich. „Ich habe nun doch einen Job gefunden.“
Der „Job“, wie er ihn nennt, ist Türsteher in einer Nobel-Disco. Robert ist einer von mehreren „Men in Black“, die den Eingangsbereich bewachen. Leider notwendig in diesen Tagen. Die Querulanten werden immer mehr.
„Wie läuft es so, was macht die kämpfende Kunst?“, frage ich. „Was hast du dazugelernt?“
Er zögert mit der Antwort. Nicht jeder wird ein Samurai.
Robert schaut sich schnell um und wechselt einen Blick mit Manfred, seinem Chef. Der winkt nur ab. Wir kennen uns gut.
„Verhau mir nur nicht die Leute“, neckt er mich. „Wenn ihr rein wollt …? Ihr seid drin, okay?“
„Alles gut“, erwidere ich. „Und vielen Dank. Das erspart dir nämlich Ärger mit deiner Frau.“
Manfred lacht, ich muss an unsere erste Begegnung denken. 5 Jahre ist es her, dass ich seiner Frau geholfen habe. Details sind irrelevant, aber es war eine durchaus brenzlige Situation. Seit diesem Tag habe ich einen Stein bei ihm im Brett und nie Probleme, wenn er vor einer Disco steht.
Aber Security sind keine Samurai.
Robert erzählt mir von einer Asien-Reise und dass er dort „Kung Fu“ studiert habe. Das habe er nun mit Kickboxen kombiniert und er sei richtig „powerful.“
„Ich habe sogar ein Turnier gewonnen“, sagt er mit vor Stolz geschwellter Brust. „Und nächsten Monat geht es weiter. Mein Ziel sind die Deutschen Meisterschaften …“
„… im Straßenkampf?“, unterbreche ich. „Ich wusste nicht, dass es die gibt.“
„Was meinst du damit?“, will Robert wissen. Sichtlich verwirrt und nun ohne (Sprach)Konzept.
„Ich meinte, dass Sport-Karate fernab jeglicher Realität ist. Es ist ein sportlicher Wettkampf mit einem Punktesystem. Aber es gibt keine Punkte, wenn dich ein Betrunkener anpöbelt. Oder ein Experte. Was machst du dann?“
Wer nicht fragt bleibt dumm.
Robert versteht (noch immer) nicht, was ich ihm sagen möchte. Er setzt nach wie vor auf körperliche Stärke und vergisst (erneut) den geistigen Aspekt. Seine Welt ist Kraft und Kampf. Aber pure Stärke macht noch keinen Sieger. Normalerweise unterrichte ich keine Männer. Und das hat seinen Grund. Aber Robert braucht noch eine zweite Lektion. Und die will ich ihm geben. Weniger um zu glänzen. Es ist Hilfe, die er braucht. Einsicht ebenfalls. Und so mancher Tritt bringt Mann auf den richtigen Weg.
Ich lade Robert in Lindas kleines Dojo ein. Er kennt das schon und beißt sich auf die Lippen. Ahnt er, was geschehen wird?
Sein Verhalten ist pure Unsicherheit. Das hat auch Manfred erkannt.
„Tu ihm bitte nicht allzu weh“, raunt er, als wir in die Disco gehen. „Der Junge ist okay.“
Und gut wird auch der Abend. Hoch das Bein, Olé!
Zwei Tage später, Manfred begleitet einen bleichen Robert. Linda und er arbeiten oft zusammen und helfen sich gegenseitig aus. Freunde über sexuelle Grenzen. Was zählt ist der Respekt. Ich analysiere Robert. Er ist schwerer geworden, was ihn aber noch langsamer macht. Ein Bündel purer Kraft, die er kaum einsetzen kann. Genau das will ich ihm zeigen.
KritikerInnen werden nun sofort den Finger heben und kopfschüttelnd diese Zeilen lesen.
„Frauen können Männer nicht besiegen“, höre ich. „Ein Mann ist viel stärker als du!“
Ja, das ist er. Aber nur, wenn ich mich auf sein Terrain begebe. Nur, was soll ich da?
Robert kickt und er ist gut. Ich reagiere und er fällt. Jeden Angriff kontere ich aus, bis er keuchend am Boden bleibt.
„Das … das gibts doch nicht“, schnauft er. „Wie hast du das nur gemacht?“
Das Wissen um die eigene Stärke ist die wahre Macht.
Ich rufe Manfred, den 2 Meter Mann.
„Och menno, Mayumi“, stöhnt er sofort. „Immer auf die Großen!“
Manfred ist ein Berg von Mann. 110 kg Muskeln. Da hast du keine Chance. Und doch bringe ich ihn locker auf die Matte. (Klein)Robert ist verblüfft.
„Nicht pure Kraft gewinnt den Kampf“, erkläre ich. „Nutze die Kraft des anderen aus. Erkenne den Schwachpunkt. Und dann sei stark.“
Wann wird Mann je verstehen?