Olympisches Karate: Gegen jede Regel

Olympisches Karate: Gegen jede Regel

Bereits vor einigen Wochen hatte ich damit begonnen diesen Beitrag zu schreiben, der aus privaten Gründen nur halb fertig geworden ist. Die Antwort auf einen Leserkommentar hat ihn schließlich möglich gemacht.

Stolz

Als Japanerin bin ich stolz darauf, dass wir wenigstens einmal Karate bei Olympia sehen konnten. Leider steht Karate 2024 nicht mehr im Programm. Der aus der Kampfkunst entstandene Sport, ist und bleibt ganz offensichtlich für ein Massenpublikum unattraktiv.

Vor einigen Jahren, als bekannt wurde dass Karate olympisch wird, war die Freude in Japan groß. Mein Vater hat sogar bei der Vorauswahl von Athleten mitgewirkt. Er hat das gegen seine Überzeugung, aber für Japan getan. Als Vertreter des traditionellen Karate, ist ihm der daraus entstandene Sport suspekt. Trotzdem hat er auch mich für Wettkämpfe trainiert.

Karate

Karate ist lediglich ein Oberbegriff für mehrere Stile, von denen der relativ junge Shōtōkan-Stil der weltweit bekannteste ist. Gefolgt allerdings von dem traditionsreichen Gōjū-Ryū. Die von manchen Shōtōkan-Anhängern propagierte Überlegenheit ihres Stils endet meist dort, wo alles seinen Anfang nahm, auf Okinawa. Die dortigen Meister sind und bleiben eine Klasse für sich. Das hat man mittlerweile auch wieder in Japan verstanden und besinnt wieder auf die alten Traditionen.

Es ist dieser scheinbare Widerspruch, der die Weiterentwicklung von Sportkarate blockiert. Als ehemalige Wettkämpferin wusste ich, wie unattraktiv Sportkarate bei Olympia aussehen kann. Meinen ersten Kampf habe ich als Teenager durch Disqualifikation verloren. Ich hatte die Regeln verletzt, als ich meine Gegnerin „illegal“ zu Boden brachte. Gōjū-Ryū kombiniert mit Daitō-ryū Aiki-jūjutsu Techniken, war leider nicht erlaubt.

Regeln!?

Aber genau diese starren Regeln sind es, die Karate quasi kastrieren. Zwei Sportler stehen sich lauernd gegenüber, keiner will die erste Bewegung machen. Die meisten hüpfen auf der Stelle, wirkliche Aktionen sind kaum zu sehen. Die Handschuhe tragen ebenfalls dazu bei, dass Techniken schwierig bis unmöglich sind.

Die angesprochene Unterbrechung des Kumite nach einem Treffer ist der Tradition geschuldet. Traditionelles Karate dient der Selbstverteidigung, ein Angreifer wird durch einen Konter außer Gefecht gesetzt. Für den Sport bedeutet das die Vergabe von Punkten. (M)Eine Idee um Sportkarate attraktiver zu machen, wären drei Runden ohne Unterbrechung bei Treffern. Analog zum Taekwondo oder Amateurboxen. Dann würde man mehr Dynamik sehen.

Falsche Bilder 

Eine weiteres Problem von Karate ist die vor allem im Westen falsche Sicht auf diese Kunst. Eine Mitschuld daran haben die „Chinafilme“, die in den 1970er Jahren gedreht worden sind. Hongkongs Filmindustrie hat die fernöstlichen Kampfkünste mit spektakulären Szenen auf die Leinwand gebracht, die Zuschauer haben das für bare Münze genommen.

Auch in Hollywood wurden ähnliche Filme gedreht, das Missverständnis nahm seinen Lauf. Das aus dem Karate entstandene Kickboxen, ist für Zuschauer wesentlich attraktiver. Ob es jemals seinen Weg nach Olympia findet, ist ungewisss.

The Winner takes it all

Mein Vater hatte mich bereits vor mehr als einem Jahr gefragt, ob ich bei den nationalen Ausscheidungen mitmachen möchte. Papa liebt solche Scherze. „Nee, Väterchen“, habe ich gesagt, „das wäre unfair den anderen Mädels gegenüber.“ Wer hinter meinen Worten Arroganz vermutet, hat keine Ahnung von japanischem Humor.

Zwar würde ich mir auch mit Mitte Dreißig eine Teilnahme zutrauen, was mir jedoch fehlt ist Wettkampferfahrung. Ich habe seit fast zwanzig Jahren auf keinem Turnier gekämpft. Andere im sportlichen Wettkampf zu besiegen, war mir nach einigen gewonnenen Kämpfen nicht mehr wichtig.

Die Enttäuschung

Nicht nur in Japan, weltweit ist bei vielen Karateka die Enttäuschung darüber zu spüren, dass Karate nun doch wieder aus dem Programm gestrichen worden ist. Aber die Sportler trifft keine Schuld. Sie haben alles gegeben, was innerhalb der Regeln möglich ist. In Japan selbst zählt oft nur der Sieg. Darauf werden die Sportler seit sie Kinder sind gedrillt.

Die Japan Times berichtet relativ neutral über Karate. Trotzdem glaube ich zumindest zwischen den Zeilen eine gewisse Enttäuschung zu lesen, wobei es aber um die wenigen Medaillen geht. Siege sind in Asien wichtiger, als die reine Teilnahme an einem großen Event. Ich werde eine mögliche Diskussion über die Zukunft von (Sport)Karate beobachten.

Taekwondo vs Karate

Das unter anderem aus den japanischen Shōtōkan-Karate entstandene koreanische Taekwondo, ist durch seine hohe Dynamik und die vielen Tritte für Zuschauer attraktiv und daher fraglos ein Gewinn für das olympische Programm. Über einige Wettkampfregeln kann man allerdings geteilter Meinung sein.

Die Enttäuschung über das schnelle Aus für Karate, wird mit Sicherheit Grundlage vieler Diskussionen sein. Weder mein Vater noch ich werden uns darum kümmern. Wir leben unser Karate und unterrichten es so, wie es gut und richtig ist.

Lichter der Großstadt – Teil 3: Tai Chi

In den USA zu leben ist einfacher, als viele glauben. Zwar ist alles größer und die Erde bebt, aber wir gewöhnen uns schnell daran. Auch die Zeitumstellung haben wir mittlerweile verkraftet. Und unser Englisch passt auch ins Bild. Niemand erwartet, dass wir perfekt sprechen. Aber wir machen das ganz gut.

Die Frage wo wir leben werden, hat Ally gelöst. Mir ihr und Heather abzuhängen macht Spaß. Daher entscheiden wir uns für Santa Barbara und pendeln nur ab und zu nach L.A. Auch die Trainingsfrage ist kein wirkliches Problem. Im Januar geht es los.

Der Flirt

Die Silvester Party wird kleiner, als letztes Jahr. „Wir haben ein Dutzend Mädels eingeladen“, erklärt mir Ally. „Vermutlich wird nur die Hälfte kommen.“ Kurz schaue ich ins Netz, die Nachrichten aus Deutschland wecken erneut meinen Zorn. Köln reloaded? Zumindest ist die Polizei vorbereitet.

Unvorbereitet trifft mich der Flirtversuch einer Frau, die mehr als nur Smalltalk will. Sie gibt mir deutlich zu verstehen, was sie nun erwartet. Und das ist kein harmloser Kuss. Die Situation amüsiert mich, ich bin gegen solche Offerten gefeit. Schon so manches Mädel, ist an meinem ausgestreckten Arm verhungert.

Und da gibt es noch Elfchen, die urplötzlich richtig eifersüchtig wird und der Süßen einige Takte steckt. Wer Yuki einmal zornig sah, der wird das kaum vergessen. Nur ich kann böser gucken. Zwar besteht keine Gefahr, dass wir uns betrügen, aber „Ich musste das jetzt tun!“, hat Yuki gesagt und meine Hand genommen. „Du bist meine Frau!“

Es sind diese kleinen Momente, die unsere Liebe noch tiefer machen. Ein Seitensprung? Wozu? Als Teenager und Twen, war ich weniger wählerisch. Ich habe gezielt (aus)gesucht und ziemlich schnell vergessen. Ohne erhobenen Zeigefinger muss ich ganz klar sagen, Dreier funktionieren nicht.

Dein Karate, mein Karate

Wir gönnen uns nach der Party einen Tag Pause und suchen dann ein Dojo auf. Sensei Wade ist Amerikaner, schon Ende Fünfzig und spricht etwas Deutsch. „War ich in die Stadt Kaiserslautern stationiert.“ Er lacht, als er sich bei den Worten fast die Zunge bricht. „That was a long, long time ago!“

Seine Schüler sind vorwiegend Teenager und schon nach zwei Tagen helfe ich beim Training aus. Wade unterrichtet Shotokan-Karate, ist aber sehr an meinem Stil interessiert. Begeistert nickt er, als ich die Unterschiede zeige. Die Teens sind Feuer und Flamme, dass sie eine „echte Japanerin“ trainiert. Haben wir neue Freunde gewonnen?

Schnell wird klar, dass Sensei Wade kein guter Trainer ist. Ihm fehlt der spirituelle Hintergrund. Alles was er zeigt basiert auf Kraft, womit er bei mir keinen Blumentopf gewinnt. Er kümmert sich meist nur um seinen Neffen Steven, der ein besonderes Kaliber ist.

Steven hat schon mehrere Pokale gewonnen und trainiert für die US-Meisterschaft. Aber vorher gilt es die Qualifikation zu meistern. Ein Turnier steht bevor, zu dem wir eingeladen sind. Wir werden Zeuge recht mäßiger Kämpfe. Selbst Steven ist weit von wirklicher Klasse entfernt.

Ein Chinese weckt mein Interesse. Der junge Mann zeigt keine Schwächen. „Tai Chi“, sage ich und Yuki schaut überrascht. „Das wird spaßig werden“, füge ich hinzu. Feng, so der Name des Kämpfers, dominiert seine Gegner locker. Während sich Steven seinen Weg ins Finale prügelt, weicht Feng nur aus, um dann blitzschnelle Treffer zu setzen.

And the winner is …!

Es kommt wie es kommen muss, Steven steht Feng im Finale gegenüber. Ich ahne das Desaster und behalte recht. Steven ist zu unbeherrscht und hat zu viele Lücken in der Deckung, die Feng eiskalt nutzt. Ich nicke anerkennend als er ernst macht und sein ganzes Können zeigt.

Steven hat nie eine Chance und verliert den Kampf. Ein Raunen geht durch die Halle, als er Fengs ausgestreckte Hand zur Seite schlägt. Als schlechter Verlierer erweist sich auch Wade, der Protest gegen die Wertung einlegt. Angeblich wegen Regelverstoß.

Die Jury berät, man schaut sich das Video an und entscheidet gegen Steven. „And the winner is still …!“, höre ich. „Zu Recht“, sage ich, als Steven auf dem Weg nach Hause immer weiter lamentiert. „Du hast verloren, nimm es als Lektion für dich an.“

Über sein „Fuck you Bitch!“, habe ich gelacht und „Loser“ zu ihm gesagt. Das Wort trifft härter, als (m)ein Kick, den er klugerweise vermeidet. Wütend schlägt er die Tür seines Wagens zu.

Wade ist der Vorfall unangenehm, aber meine Entscheidung steht bereits fest. Wir werden nicht mehr zu seinem Training kommen. „Aus der Niederlage zu lernen macht wahre Sieger aus,“ gebe ich beiden noch mit. „Feng war um mehrere Klassen besser.“

Tai Chi

Ich erzähle Ally später wie schlecht sich Wade und Steven verhielten. „Ich kenne Feng“, sagt sie. „Er hat seit letztem Jahr ein kleines Dojo in der Stadt. Wir waren dort, aber es gab zu viele Männer. Wie ich hörte sind die meisten schon wieder weg.“

„Ach?“, sage ich, „hat euch der Virus gepackt?“ Die beiden lachen und bejahen meine Frage. „Wir wollten euch damit überraschen.“ Am nächsten Tag zeigt sie mir Fengs kleines Reich. Es sind noch keine Schüler da, er selbst kniet in einer Ecke. Als er uns sieht legt er den Schraubenzieher weg. „Eine Steckdose ist kaputt“, erklärt er. „Was kann ich für euch tun?“

Um einer Legende vorzubeugen, er hat uns nicht sofort als Japanerinnen erkannt. Aber als potenzielle Schülerinnen. „Chen Stil?“, frage ich als Antwort und er schaut überrascht. „Ja“, sagt er, „du kennst Tai Chi?“ Ich nicke. „Ich habe es vor Jahren gelernt.“

Fengs Lachen macht einem fast ehrfürchtigen Gesichtsausdruck Platz, als ich davon erzähle. „Sifu Wu ist eine Legende!“, sagt er. „Na, ob sie das auch so sieht?“, frage ich schmunzelnd und Feng lacht schon wieder. „Vermutlich nicht“, sagt er. „Sie soll sehr bescheiden sein.“

Feng ist in Taiwan geboren, lebt aber seit vielen Jahren in den USA. Er hat kaum Akzent und beherrscht auch das „R“ und „L“ meisterhaft. Ich übrigens auch, aber das habt ihr bestimmt gewusst.

„Karate!“, sagt Feng, als ich von meinem Hintergrund erzähle. „Warum kommt ihr dann zu mir?“ Er wirkt nachdenklich, als ich Steven und Wade erwähne und dass ich den Kampf gesehen habe.

„Ich bin Steven schon auf einem anderen Turnier begegnet“, höre ich. „Schon damals war er ein schlechter Verlierer. „Er schlägt ohne Verstand“, sage ich. „Deine Konter waren gut.“

Asian Nation

Feng hat Informatik studiert. Tai Chi war bisher nur ein Hobby. „Ich finde einfach keinen Job in dem ich es länger als einige Wochen aushalte“, verrät er uns. „Also habe ich all mein Geld in diesen Club investiert. Das Haus (ein ehemaliger Laden) habe ich gekauft, es ist aber leider alt und vieles reparaturbedürftig.

Wir fachsimpeln eine Weile, bis seine SchülerInnen kommen. Feng lädt uns auf ein kostenloses Training ein. Was er zeigt ist wirklich gut und wir machen tapfer mit. Ich freue mich nach all der Zeit wieder Tai Chi zu üben. Auch wenn die Unterschiede zu Karate heftig sind.

Lustig wird es, als Feng lockeres Sparring mit seinen SchülerInnen macht. Sie sind alle ohne jede Praxis, nur Yuki und ich haben einen Kampfkunst Hintergrund. „Wehe du haust mich wieder!“, sagt sie aus Spaß, was ich mit einem Lächeln quittiere, das ich angeblich der Sphinx abgeschaut haben soll.

„Wollen wir?“, fragt Feng nach einer Weile und schaut mich an. „Aber bitte sei nachsichtig mit einem alten Mann!“ Der Witz, er ist mit 27 sogar noch etwas jünger als ich. Im Training habe ich oft mit Mann zu tun (gehabt). Kraft gegen Geschwindigkeit.

Kung Fu (Wushu) mit Karate in einen Ring zu stellen, wird niemals funktionieren. Was in einem Ring gezeigt wird, läuft meist auf Kickboxen hinaus. Und zwar von beiden Seiten. Ein guter Kung Fu „Kämpfer“ wird einen mittelmäßigen Karateka schlagen. Umgekehrt trifft das ebenfalls zu.

Fengs Stärke ist der Infight. Aber den kann ich genau so gut. (M)Ein Fehler wäre es, sich genau darauf einzulassen. Außerdem machen wir nur Spaß. Aber als er meinen Arm greift und mich zu Boden werfen will kontere ich mit einem (fast) klassischen O-Goshi (Hüftwurf).

Ich kontrolliere danach noch seinen Arm und Feng gibt lachend auf. „Aikijujutsu“, erkläre ich, als er danach fragt. In Japan gibt es die (Un)Sitte, dass man Gäste bei Spielshows gewinnen lässt. Ob ich das in diesem Leben noch lerne?

Zwei wirkliche Meister neutralisieren sich meist. Gegen Fengs „schiebende Hände“ benutze ich Wing Chun. Gefolgt von einem Tritt´aus nächster Nähe zum Kopf. Natürlich will ich niemand verletzen, also habe ich abgestoppt. Feng nickt anerkennend. „Das hätte Steven machen sollen!“, sagt er. „Ich habe das schon gesehen. Woher stammt der Kick genau?“

Ich erzähle von Cousin Ken, der Kyokushin Karate trainiert und dass ich das im Sommer ebenfalls oft mache. „Oh, das ist ein harter Stil“, stimmt mir Feng zu. „Die gewinnen regelmäßig die Turniere.“ „Jeder ist zu schlagen“, erwidere ich. „Ich kann dir zeigen wie.“

Gezeigt hat sich, dass es Verständnis über Ländergrenzen geben kann. In den nächsten Tagen üben wir Tai Chi und lernen auch chinesischen Schwertkampf kennen. Im Austausch versteht sich, ich zeige Feng japanisches Kenjutsu.

Feng freut sich über vier neue neue Schülerinnen, die, zu seinem Leidwesen, alle lesbisch sind. Aber das hat er nur im Spaß gesagt und (gespielten) Ärger mit seiner Freundin bekommen, um die es unter anderem es in der übernächsten Folge geht. Es bleibt spannend, wird aber erst einmal „Automobil.“ Detroit Motorshow, wir kommen!

Noch ein Hinweis, um Missverständnissen vorzubeugen, die „Lichter der Großstadt“ Beiträge sind nie aktuell und bilden Ereignisse aus der näheren Vergangenheit ab. In Detroit waren wir zum Beispiel letzte Woche.

Das ist Karate!

Was Karate wirklich ist, habe ich bereits mehrfach geschrieben. Aber noch immer verstehen viele diese Kunst gern falsch. Also ergänze ich meinen letzten Artikel und möchte Ōyama Masutatsu, den Begründer des Kyokushin-Karate, zitieren. Der Fokus liegt dabei heute auf der körperlichen Seite. Warum erkläre ich noch.

„Karate ist kein Spiel. Es ist kein Sport. Es ist nicht einmal eine Technik der Selbstverteidigung. Karate ist zur Hälfte eine körperliche, zur anderen Hälfte eine spirituelle Disziplin.“

So ganz einverstanden bin ich mit dem großen Meister nicht. Man kann das auch durchaus anders sehen. Karate war und ist durchaus Selbstverteidigung für mich. Dieben meinen Geldbeutel zu überlassen, um sie nicht zu verletzen, käme mir niemals in den Sinn. Wer mir, bildlich gesprochen, an die Wäsche will, hat ein Problem.

„Karate hat eine nicht zu leugnende mystische Qualität. Doch all dies ist das Ergebnis von Durchhaltevermögen und Training. Es ist offen zugänglich und hat nichts mit geheimen esoterischen Schriften zu tun, die manche Karateschulen angeblich besitzen. Selbst wenn solche Bücher existieren, sind sie keine praktischen Erklärungen für die Methoden und Techniken des Karate, sondern abstrakte Erklärungen der geistigen Haltung.“

Ōyama Masutatsu hat recht, es gibt keine geheimen Techniken und keine Super Karateka, die allein mit Blicken einen Vorteil für sich verbuchen. Aber im modernen (Sport)Karate werden all jene Techniken nicht mehr gelehrt, die nach Meinung einiger Meister, eine zu große Verletzungsgefahr bei Wettkämpfen darstellten.

Was aber nicht gelehrt wird, gerät schnell in Vergessenheit. Und plötzlich ist Karate pflegeleicht und seine Schüler taumeln gebückt durchs ganze Leben, statt aufrecht und mit Stolz zu gehen. Mein Vater hat mich traditionelles Karate gelehrt. In all seiner Konsequenz. Das ist ein Grund warum ich Kämpfe gewinne und andere sie verlieren. Was auch für das normale Leben gilt.

„Die Kampfkünste wurden erdacht um Siege zu fördern, daher erfordern sie Rivalität. Doch gleich wie stark der Rivale auch ist, der Gerechte wird immer siegen. Davon bin ich überzeugt. Demzufoge muß Karate eine gerechte Kunst sein. Menschliche Wesen, die diesen Namen auch verdienen, sollten gewillt sein, Gemeinheit durch Gerechtigkeit zu bekämpfen, und dies bis zum Tode, falls es nötig sein sollte.

Ohne diesen Willen, in dieser Weise für die Gerechtigkeit einzustehen, was wäre das Leben noch wert? Die höchsten Dinge, die man aus einem Kampf auf der Grenzlinie zum Tod erfahren kann, sind Gerechtigkeit, Höflichkeit und der WEG. Und das Erreichen dieser drei Dinge bedeutet einen gewissen Sieg. Im Vergleich dazu sind Ruhm und Geld ohne Bedeutung.“

Karate kann zu mehr Gerechtigkeit führen. Davon bin auch ich fest überzeugt. Dabei ist es egal ob ich einen kleinen Jungen oder einen alten Mann vor Schlägern rette. Das Ergebnis ist es, das letztlich zählt. Auch der Sieg über mich selbst, wenn ich lächelnd vor einem Provokateur stehe und sein verbaler Angriff verpufft.

Ōyama Masutatsu war eigentlich Koreaner. Aber das ist nur Nebensache. Und er hat Karate auch nicht revolutioniert. So wenig wie Gichin Funakoshi, der Begründer des modernen Karate, dem Shotokan. Traditionelles Karate ist anders. Gelernt hatten sie es beide. Im Ansatz zumindest. Aber dann nur noch den eigenen Stil praktiziert.

Beide, Kyokushin-Karate und Shotokan sind durchaus gut. Mir sind sie zu einseitig, zu sehr vom eigentlichen Ursprung entfernt. Mein Karate war stets anders. Schon als Kind habe ich gern und oft improvisiert. Instinktiv. Gelernt habe ich andere Techniken erst viel später.

Es ist schwierig bis unmöglich, den geistigen Aspekt im Karate mit Worten abzubilden. Dazu ist (m)ein Blog denkbar ungeeignet. Karate und Zen-Buddhismus sind ein Team. Und das ist absolut kein Widerspruch. Es ist der japanische Weg, der im Westen kaum verstanden wird.

Aber ich kann die absolute Kompromisslosigkeit aufzeigen, wenn es im alten, traditionellen Karate darum ging, einen Angriff abzuwehren. Die Formel lautet krass ausgedrückt: Wer einen Karateka attackierte, war ganz schnell besiegt. Und das ist noch heute so, wenn jemand echtes Karate kann. Wobei besiegt nicht unbedingt wörtlich zu verstehen ist. Man kann mit Karate auch richtige Kämpfe vermeiden.

Und genau das ist der Unterschied zwischen Kampfkunst und -sport. Kickboxer, um das System einfach zu benennen, machen nur noch Spaß. Sie tänzeln, sie prahlen und feuern irgendwelche Tritte und Haken ab. Um im Wettkampf Punkte zu bekommen, was ihnen bei einem echten Angriff kaum hilft.

Schnell macht sich Verwirrung breit, wenn ich die Unterschiede im Dojo lehre. „Aber Sensei“, höre ich dann, „das verstehen wir nicht! Es heißt doch im Karate gibt es keinen Erstangriff.“

Nun hat das wieder Gichin Funakoshi gesagt und hat damit durchaus recht. Aber seine Verwässerung des Karate, der daraus entstandene Wettkampfstil, hat mit zum heutigen Problem geführt. „Funakoshi ist nicht in der Lage, etwas anderes als Gymnastik zu unterrichten“, hat Ōyama Masutatsu gesagt und damit den Nerv getroffen, an dem Karate noch immer krankt.

Aber hat er recht? Ja und nein. Shotokan ist ein durchaus guter Stil und richtig erlernt bis ins hohe Alter ausführbar. Aber das gilt für alle Karate Arten, wie diverse Meister noch immer zeigen. Trotzdem halte ich die Okinawa Stile für besser, wenn es um Traditionen geht. Und um mit einer Legende aufzuräumen, auch im Karate gibt es Hebel und Würfe. Wie im traditionellen chinesischen Wushu (Kung Fu).

Das Wissen um die Gesamtheit von Karate muss zwingend erhalten bleiben. Es geht dabei weniger darum wie man jemand töten kann. Wer das nur denkt, hat nichts verstanden und gehört vermutlich in die Psychiatrie.

Ich habe lange gesucht und ein Video gefunden, dass sich „This is Karate!“ nennt. Zwar wird dort der Shōrin-Ryū Stil gezeigt, aber der „Aha-Effekt“ sollte vorhanden sein. Den beiden Sensei geht es wie meinem Vater und mir darum, das echte Karate zu erhalten. Hauen kann jeder. Richtiges Karate nur wenige.

Sie zeigen einen Stil, den viele Thai- und Kickboxer, sowie die koreanischen Taekwon-Do Schüler, noch nie gesehen haben. Die wären alle ziemlich überrascht, wenn es zu einer Auseinadersetzung käme. „Kannst du das alles?“, höre ich die Frage und muss lächeln. Ja und noch eine ganze Menge mehr.

Ich finde die beiden Sensei gut und authentisch. Daher teile ich gern ihr Video. Und nun viel Spaß beim schauen: