Japan ist ein Land voller Mythen und Legenden. Durch Jahrhunderte der Abschottung, hat sich eine einzigartige Kultur entwickelt. Der Rest der Welt steht Japan gespalten gegenüber. Anime und Manga lieben alle. Auch, das aus Japan stammende Karate. An dieser Stelle dann ein harter Schnitt, denn die Wurzeln des Karate liegen anderswo.
Wir sind zuück aus Shanghai. Wieder ist Fukuoka nur Zwischenstation. Die Reise geht weiter nach Okinawa. Dem Ort, an dem man wirklich Karate erfunden hat. Der Legende nach haben Shaolin-Mönche Kung Fu nach Okinawa gebracht. Dort soll sich ihre Kunst mit einheimischen Praktiken vermischt haben und die Urform des Karate war geboren, das „Te.“
In vielen (amerikanischen) Filmen, wird Karate brutal und als Angriff an die Zuschauer gebracht. Hollywood lässt grüßen. Mit dem wahren Geist, hat das wenig zu tun. Und der weht noch immer in Okinawa. Zwei Stunden dauert der Flug von Fukuoka. Mit dem Mietwagen geht es weiter ins Hotel. Davor lagen Mails und Telefonate, die unseren Besuch erst möglich machten.
Aber was unterscheidet Karate in Okinawa vom Rest der Welt? Ist es wirklich so viel anders? Mein Vater ist Meister im Gōjū-Ryū-Karate, dem harten und weichen Stil. Dessen Ursprünge liegen klar im „Weißen Kranich Kung Fu.“ Wir kennen die klebenden Hände, die auch im Wing Chun zun Alltag gehören. Und wir nutzen, Hebel, Würfe und Bodenkampf, wie im Aikijujutsu.
Der elementare Unterschied von Okinawa-Te (Okinawa-Karate) zu anderen Stilen sind die durchgehend defensiven Techniken. Das klingt zwar gut, stellt aber so manchen Schüler vor Probleme. Weniger wegen der Schierigkeit, aber diese Art des Karate ist für Männer gemacht.
Es wäre wenig klug für eine Frau, den harten Okinawa-Stil zu lernen. Die Philosophie von Block und Konter, ist nicht meine Welt. Ich kann als Frau keinen Schlag eines Muskel-Hünen (hart!) blocken und auf Unversehrtheit meiner Unterarme hoffen. Aber ich kann seine Kraft gegen ihn nutzen. Weich und effektiv.
Ein Dojo in Okinawa ist das „Heim“ des Meisters. Er ist hier Vater, Lehrer und ihm gebührt Respekt. Als wir das Dojo betreten und mit Herrn Tetsuhiro (Name geändert) sprechen, überreiche ich einen kleinen Obulus im Briefumschlag, den er natürlich erst viel später öffnet. Es geht um Respekt, der Meister will kein Geld.
Ich kenne mich und meinen rebellischen Geist. Daher habe ich bewusst nach einem Sensei gesucht, der die alte Okinawa-Schule lehrt. Davon, Schienbeine, Unterarme, Genitalien abzuhärten, hält der Sensei wenig. Noch weniger von Bruchtests. Wie mein Vater ist er der Meinung, ein Brett schlage nicht zurück. Was ich unterschreibe.
Wer nun glaubt ich könne keine Ziegel, oder Bretter zerschlagen, der irrt. Aber muss ich es auch machen? Herr Tetsuhiro lehrt einen Stil, der vor einigen hundert Jahren Standard war. Wozu hohe Tritte, fragt er in die Runde. Der Stand werde davon instabil. Angesprochen sind dabei westliche Gäste, die aus dem Kickboxen und Sport-Karate kommen.
Die Hälfte seiner Schüler sind Europäer und Amerikaner. Und alle sind auf der Suche, wie ein lustiger Mexikaner später berichtet. Der Mann ist weit über 60 und seit 40 Jahren in Karate aktiv. Aber in Okinawa war er noch nie. Er habe hier mehr über sich und den Sport gelernt, sagt er, als in all den vergangenen Jahren.
Yuki ist skeptisch. Sie hat Videos vom Okinawa-Karate gesehen und wie hart Mann dort trainiert. Ich kann sie beruhigen. In diesem Dojo zumindest wird nicht geprügelt. Herr Tetsuhiro hat nur eine Frau als Schülerin. Und das ist seine eigene Tochter Hiromi. Sie soll und wird das Dojo später leiten. Und sie ist wirklich gut!
Mit Interesse schaut der Sensei auf meinen 3. Dan. Er will eine Kata von uns sehen und nickt am Ende. Wir sind willkommen. Let the Games begin! Wir trainieren überwiegend mit Hiromi, die sich gern um uns kümmert. Aber sie hat Respekt vor mir, der immer größer wird.
Der Grund ist die rasende Geschwindigkeit, mit der ich die Techniken adaptiere. Vieles kenne ich. Bei einigen Sachen bin ich skeptisch. Gegen westliche Boxer werden die nicht funktionieren. Da ist mein Stil dann effektiver. Aber ich bin hier nur Gast.
Wir bleiben 5 Tage und haben Spaß. Kein Stress, kein böses Wort. Nur Gleichgesinnte, die alle freundlich sind. Am letzten Tag will der Sensei uns testen. Er bittet seinen Sempai (ältester Schüler) das Kumite zu übernehmen. Unter den kritischen Blicken des Sensei fangen wir an. Werden Frauenhände wieder siegen?
Ich kann diesen Kampf nicht gewinnen, wenn ich nach den Regeln meines Kontrahenten gehe. Der wartet ab und überlässt mir den ersten Schlag. Aber ich bin lange genug im Karate, um alle Tricks zu kennen. Auch, dass man ein Duell mental gewinnen kann. Also mache ich so lange nichts, bis der Sensei nickt. „Gut“, sagt er. „Du hast verstanden.“
Was er meinte war, dass Karate niemals als Angriff genutzt werden soll. Er erlaubt aber doch, dass ich meine Kunst zeige. Mit Yuki. Elfchen schnauft gespielt empört und flüstert „Immer ich.“ Aber sie spielt mit und darf mich auch zu Boden werfen. Und dabei hat sie Spaß.
Spaß hatte ich auch, als ich diese Artikel schrieb. Vielleicht sind sie anders ausgefallen, als manche LeserInnen erwartet hatten. Aber es ist schwierig Japans Kultur in reinen Worten zu vermitteln. Wer mehr erleben will, der sollte Land und Leute vor Ort kennenlenen. Japan, ist immer eine Reise wert.