Mein geplantes Leben

Mein Leben wird von Freundinnen oft als geplant und langweilig angesehen. Sie machen das daran fest, dass ich nichts dem Zufall überlasse. Schule, Studium, Beruf, ich habe alles geplant. Und das gilt auch für die Familie. Ihr wisst doch, dass ich zwei Mädchen will?

Spaß beiseite und zurück zum Lebensplan, den andere so nicht kennen. Aber ist es wirklich langweilig mit schnellen Autos über Strecken zu fegen? Ist es öde statt dem Couch-Koma zu verfallen aktiv für die Rechte der LGBT-Gemeinde auf die Straße zu gehen? Ist es falsch, wenn ich eine Düsseldorf-Reise nach Norden ausdehne und weitere Geschäftskontakte knüpfe?

Mein Leben spielt sich außerhalb von Normen ab und wird doch davon bestimmt. Aber (meist) nach meinen Regeln, die habe ich so gemacht. Die meisten Menschen sind für immer fremdbestimmt. Tagein, tagaus fahren sie auf Schicht und gehen zur Maloche. Und egal ob Bergwerk, oder Stahlkocherei, sie bleiben Sklaven.

„Boah, Mayumi, wie kannst du ein solch böses Wort von dir geben?“, höre ich nun meine LeserInnen sagen. Das Wort soll und will niemand verletzen und ich habe es absichtlich gebraucht, um den Unterschied aufzuzeigen. Niemand ist wirklich frei und ungebunden, auch mein Leben hängt von anderen Menschen ab. Aber ich suche sie mir aus.

Ob es Zufall, oder Schicksal war, dass ich Graf Werner traf, was spielt das für eine Rolle? Entscheidend ist, was ich daraus noch machen werde. Der alte Herr möchte mir gern mehr Verantwortung übertragen. Und seine Enkelin und Erbin will das auch.

Das Angebot ist echt verlockend. Von null auf hundert zur (Top)Managerin. Aber will ich das wirklich und wo steht Yuki in diesem Fall? Finanziell war ich stets abgesichert, um Geld ging es mir also nie. Ausgenutzt hätten das die anderen. Ich fuhr stets Corolla und trank nicht mal Bier.

Dass wir Stuttgart verlassen steht allerdings fest. Die homophob-verlogene Haltung der Menschen brauchen wir einfach nicht. In NRW ticken die Uhren etwas anders. Und in Düsseldorf bin ich zu Haus. Yuki sieht das ebenso. Japanische Gemeinde, wir kommen!

Mangelnde Risikobereitschaft wird mir auch gern unterstellt. Mir, die ich Autos mit 300 km/h gefahren bin. Aber das ist kein Riskio für mich sondern auch ein Plan. Auch Urlaube plane ich und Yuki plant dann mit. Angst haben zwar immer nur die anderen, aber in gewisse Gegenden gehst du auch in Japan nicht.

Mein Leben wird von Freundinnen oft als geplant und langweilig angesehen. Sie machen das daran fest, dass ich nichts dem Zufall überlasse. Dabei bin ich völlig spontan und ständig unterwegs. Heute München, morgen vielleicht Leipzig und übermorgen ist Wiesbaden dran. Eintönig, das sind meist die anderen. Ich habe nur meinen Lebensplan im Blut.

Dem Mutigen gehört die Welt

„Sei mutig!“, haben schon viele Eltern zu ihren Kindern gesagt und damit die eigene Schwäche kaschiert. Mein Vater hat nie Mut von mir verlangt, ich selbst habe ihn immer bewiesen. Aber was ist Mut, wie passt er in die heutige Welt? Und hat Mut auch etwas mit Tapferkeit zu tun?

Mut und Tapferkeit werden heutzutage meist gleichgesetzt. Und das ist leider falsch. Mut und Tapferkeit sind aber durchaus verwandt. Mut wird als Unerschrockenheit vor Gefahr definiert. Mut kann das Ergebnis einer Überwindung von Angst sein, oder ein zuversichtliches Selbstvertrauen, sich einer Gefahr zu stellen und ein auf sich genommenes Risiko zu meistern. Im zweiten Fall kommt es nicht so weit, sich erschrecken zu lassen, auch wenn die Handelnden sich etwas aussetzen, das eine Gefahr zu enthalten scheint.

Mut hat schon immer mein Leben bestimmt. Angst haben immer nur die anderen. Auch vor mir und das ist gut. Dieses Selbstvertrauen kommt nicht von ungefähr. Es ist das Ergebnis eines fast lebenslangen Trainings. Nur sollte niemand die Abwesenheit von Angst mit Mut gleichsetzen. Sonst wäre auch der Leichtsinn Mut.

Schon sehe ich die Skepsis meiner LeserInnen wachsen und auf meine schnellen Autos zeigen. Aber was haben die mit Leichtsinn zu tun? Unsere Eltern haben uns vor einigen Jahren die Rennlizenz bezahlt und diverse andere Kurse. Wir sind auf Schwedens Winterseen gedriftet und auch schon Ralley gefahren. Und schnelle Autos sind sicher, da darf Frau mutig sein. Aber habe ich niemals Angst?

Und schon stehen wir vor einem Missverständnis und wie das Wort Angst meist falsch verstanden wird. Angst, jenes diffuse Gefühl einer Bedrohung, die wenig greifbar ist, kommt in meiner Welt nicht vor. Versagensängste? Nein, danke! Im Gegensatz zur Angst ist Furcht meist rational begründbar und wirklichkeitsgerecht. Sie wird deshalb auch als Realangst bezeichnet. Und wenn die Bremsen bei 200 km/h versagen, dann hat auch eine Mayumi kurzfristig reale Angst. Aber dieses Gefühl wird mich nicht stoppen. Ich beweise Mut.

Mein Mut basiert auf (innerer) Stärke, auf dem Handeln nach ethischen Prinzipien. Mut ist ein vitales Antriebsgefühl, das Tapferkeit begleiten kann. Ich habe mich schon mehrfach mutig vor Freundinnen gestellt und sie tapfer vor Übergriffen bewahrt. Und das, obwohl ich wirklich auf verlorenem Posten stand.

Frühling vor einigen Jahren. Wir sind drei lustige Mädels und ein schwuler Mann. Sven ist lieb, wir mögen ihn. Drei südländische Männer kommen auf uns zu. Sie wirken aggressiv und versperren uns den Weg. „Ey was willst du mit die drei Frau?“, wird Sven gefragt. Auf die Idee das Wort an uns zu richten kommt der Anführer der Gruppe nicht.
Sven ist nicht feige, aber wird als Bluter eine Prügelei nicht überleben. Er weiß das und weicht einen Schritt zurück.
Die Männer schauen sich an. Sie haben ihr Opfer gefunden. Aber sie haben die Rechnung ohne mich gemacht.
Ihr Auftritt, Frau Landar!

Ich zeige dem Mann ein Lächeln, Buddha wäre stolz auf mich. „Wir haben keinen Streit mit euch“, sage ich. „Lasst uns bitte gehen.“
Schwarze Augen mustern mich voll Gier, der Mann leckt sich die Lippen. „Kein Streit“, erwidert er. „Aber wie wäre es mit … Spaß?“
Er hebt theatralisch die Arme und seine Kumpels lachen.
„Gute Idee“, sage ich sanft. „Dann geh schon mal auf die Knie und lass die Hose runter. Mein Fuß sieht bestimmt spaßig in deinem Hintern aus.“
Meine Mädels lachen, der Typ wird wild. Er wirft mir Worte in seiner Sprache an den Kopf und stürmt wütend auf mich zu. Und seine Kumpels folgen.
Sechs Fäuste für ein Hallelujah.

Gegen drei größere Männer zu kämpfen, ist keine gute Idee für eine kleine Frau. Das grenzt an Tollkühnheit und Übertreibung. Aber so war ich immer schon, kein Mann wird mich jemals dominieren. Den Anführer kann ich zu Boden werfen, dann streift mich ein gemeiner Schlag. Mein Bauch schmerzt, ich kann kaum atmen. Fäuste und Füße rasen auf mich zu, mein Schicksal scheint besiegelt. Aber Schmerzen kann ich ertragen, das habe ich gelernt.
Was nun folgt ist filmreif. Ich wehre mich, die perfekte Kriegerin übernimmt. Es folgt ein doppelter Knockout. Nur Pferde treten härter,
Zu Poden mit den pösen Purschen!

Mit blutiger Nase kommt der Anführer auf die Beine und schaut entsetzt auf seine Freunde. Mut hat der keinen mehr, in seinem Gesicht regiert die Angst.
„Ey is schon gut“, nuschelt er und wankt davon. Seine Kumpels lässt er liegen.
Für meine Freunde bin ich die Heldin. Ich winke nur ab. Wahre Sieger sehen anders aus.
Um Sven zu retten, habe ich Mut bewiesen und tapfer kämpfen müssen. Genau das werde ich immer wieder tun. Angst haben immer nur die anderen. Aber meine Rippen schmerzen, die Narben einer Schlacht.

Ein vermiedener Kampf, ist ein gewonnener Kampf. Dieser Lehrsatz bestimmt mein Leben heutzutage. Aber manchmal müssen wir für andere kämpfen, die sich nicht (mehr) wehren können. Mut und Tapferkeit haben schon immer mein Leben bestimmt. Wo bleibt euer Mut?

Angst fängt im Kopf an – Mut auch

Gewalt gegen Frauen ist (noch immer) an der Tagesordnung. Frau in der Opferrolle, das war schon immer so. Körperlich Mann unterlegen, wird sie unterdrückt und ausgenutzt. Nicht jede Frau hat das Glück im „Goldenen Westen“ zu leben, in der aufgeklärten Welt. Aber selbst in Europa gibt es Übergriffe. Und nicht immer ist Hilfe in Sicht. Also müssen wir Frauen uns wehren. Die Frage ist nur wie.

Das Wort Selbstverteidigung wird von Frauen meist mit Gewalt gleichgesetzt. Sofort haben sie das Bild von prügelnden Männern vor Augen, die hemmungslos die Fäuste schwingen. Und diesen Irrtum gilt es aufzuklären. Selbstverteidigung fängt mit Worten an. Deeskalation ist immer die Devise. Eine Faust nur der allerletzte Weg.

Schon sehe ich die Frage in den Augen meiner Leserinnen, wie das funktionieren soll. Selbstverteidigung ohne Körperkontakt, einfach nur mit Worten? Geht denn das? Die Antwort ist einfach: JA! In meinen Kursen für Frauen lehre ich, wie sie sich aus scheinbar brenzligen Situationen befreien können. Und oft ist Reden die beste Waffe, um einem Übergriff vorzubeugen. Und weglaufen gehört auch dazu.

„Kämpfen lernen, um nicht kämpfen zu müssen“, ist ein Motto, das hierzu gern benutzt wird. Und genau dieses Motto macht auch Sinn. Aber der Kampf fängt im eigenen Kopf an. Dort gilt es Hemmschwellen zu überwinden. Jede Frau kann sich mit einfachsten Mitteln verteidigen. Hemmungen sind in diesem Fall fehl am Platz, es geht um Gesundheit und Leben.

Frau muss lernen die eigene Stimme als erste Waffe zu nutzen. Ein lautes „NEIN!“ wirkt wahre Wunder. Laute Worte wie „Lassen Sie mich in Ruhe!“, im Bus, in der Straßenbahn zu einem Pöbler gesagt, kann diesen durchaus zur Flucht bewegen. Merke: wer schweigt ist bereits ein Opfer. Und genau das sind wir Frauen nicht!

Selbstverteidigung stärkt das Selbstbewusstsein und holt jeden Menschen aus der Opferrolle. Genau darum geht es. Täter suchen Opfer und keine Gegner. Das Gegenargument „Die meisten Menschen werden vermutlich nie mit Gewalt konfrontiert“, habe ich schon oft gehört. Gewalt trifft doch immer nur die anderen.

Was machen wir im Notfall? Schauen wir nur zu? Oder greifen wir aktiv ins Geschehen ein? Helfen wir dem Menschen in Not? Ja, das machen wir! Vielleicht nur mit Worten, vielleicht nur per Handy-Notruf. Nicht jede Frau ist schließlich Karate-Meisterin. Aber Situationen meistern sollte sie können. Wer Kinder bekommt, der kann auch einem Angreifer in den Hintern treten.

Ein weiterer Aspekt von Selbstverteidigung ist das gestärkte Selbstbewusstsein, das Frau auch im Alltag hilft. Noch immer werden Frauen unterdrückt und nicht für voll genommen. Schöne Larven, die ihre Rolle als Mutter und Hausfrau spielen. Biologischer Auftrag erfüllt und am Ende ab ins Altersheim? Mit mir zumindest nicht. Angst fängt im Kopf an – Mut auch! Wann also fangt ihr an euch zu wehren?