Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Der Satz „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ ist den meisten Menschen als Eidesformel bekannt. Meist aus Filmen, denn Staatsanwälte küsst man nicht. Aber mit der Wahrheit nehmen es manche Menschen nicht so genau. Sie erfinden sich und ihr Leben täglich neu. Über die Gründe habe ich mir schon oft Gedanken gemacht. Zwanghafte Lügener sind meiner Meinung genau das: von einem Zwang getrieben. Sie brauchen Hilfe. Selbst bei sogenannten Notlügen habe ich meine Zweifel. Müssen sie wirklich sein?

„Schatz, ich habe Kopfweh“, sagt Frau, wenn der Begatter Sex von ihr will.
Die Frau kann ich als Lesbe gut verstehen. Gut heißen muss ich diese Lüge nicht.
Anders sieht das vielleicht bei der besten Freundin aus.
„Findest du meinen Rock so okay?“, will sie wissen. „Ist er nicht zu kurz?“
Ich halte nichts von Lügen. Und kurze Röcke mag ich auch. Also werde ich sie ehrlich bestätigen und mir die hübschen Beine betrachten. Und passt er nicht, so werde ich das ebenfalls sagen. Offen, schonungslos.

Über Wahrheit und Lügen wird oft heftig diskutiert. Ich rede niemand nach dem Mund, das liegt mir nicht. Das durften nicht nur Männer erfahren. Wer um (m)eine Meinung bittet, wird sie auch bekommen. Hart, aber fair. Hypersensible, egozentrische SelbstdarstellerInnen sollten eine solche Frage besser vermeiden.

Ehrlichkeit ist für mich die Essenz einer stabilen Beziehung. Umso besser, wenn daraus eine Diskussion entsteht. Das fördert das Miteinander. Yuki und ich belügen uns nicht. Wir haben kein Kopfweh und kennen keine Sprachlosigkeit. Nur zu ihrem Weihnachtsgeschenk werde ich, auch unter Androhung von Kitzelfolter, nichts weiter sagen. Gelogen ist das nicht.

Die Notlüge vermeide Konflikte, sagte eine Freundin. Ihrer Meinung nach könne eine Lüge den Frieden und das harmonische Zusammenleben einer Gruppe sichern. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit nütze keinem. Voraussetzung sei, dass die Notlüge niemandem schade, sondern Schaden verhindere.

Und dann gibt es die buddhistische Weisheit, die durchaus nachdenklich machen kann:

„Es gibt drei Wahrheiten: Meine Wahrheit, deine Wahrheit und die Wahrheit.“

Wo hört nun die Lüge auf und fängt (d)eine Wahrheit an?