Fun Fan (Fan)
Wang Yifan, die jeder nur Fan Fan nennt, ist ein kleiner Wirbelwind. Feng zuliebe hat sie Tai Chi gelernt und ist darin schon recht gut. Aber was für Feng Leidenschaft ist sieht bei ihr (nach)lässig aus. Wir treffen Fan Fan im zweiten Training und verstehen uns sofort.
Mein Talent mit (neuen) Menschen umzugehen, hat mir auch bei diesem Paar geholfen. Vielleicht lag es auch nur daran, dass wir alle Asiaten sind. Zwischen jungen Japanern und Chinesen gibt es kaum Vorurteile. Zumindest soweit es mich betrifft.
„Weißt du wie verrückt es ist, dass man in China verschiedene Sprachen spricht?“, sagt Fan Fan nach dem Training. Wir müssten uns schriftlich (Kanji) verständigen, wenn ich Feng nicht in Los Angeles sondern in Hongkong getroffen hätte und er kein Englisch könnte!“
Ich nicke. Auf diese Weise haben sich früher auch Japaner und Chinesen unterhalten. Und das machen sie heute noch. Zwar haben sich die Kanji in beiden Ländern verändert, aber dafür gibt es DolmetscherInnen. Und schon ist alles gut.
Heimat
Fan Fan stammt ursprünglich aus Hongkong und zieht Feng als „Beutechinesen“ auf. „Der kann nicht mal kantonesich!“, hat sie sich im Spaß empört. Ihr britischer Akzent ist lustig, den hat sie in Hongkong gelernt.
Wir erklären der staunenden Ally, was einzelne Zeichen im jeweils anderen Land bedeuten, was für Lachanfälle und Heiterkeit sorgt. „Asien“, sagt sie, „fand ich neben Deutschland schon immer interessant.“ „Okay“, sage ich, „wann fliegen wir?“
Spontan lade ich sie und Heather ein, uns im Sommer in Fukuoka zu besuchen, was für strahlende Gesichter sorgt. Nur das leidige Thema Geld verhindert ihren Plan für den Moment.
„Deutschland würde ich auch gern besuchen“, sagt Feng. „Berlin soll toll sein! Und dieses Hofbräuhaus in München!“ „Der mag Bier!“, empört sich Fan Fan, „dabei verträgt er absolut nichts!
Erzähl doch mal, wie ich dich nach Hause bringen musste, als du zu viel davon getrunken hast.“ Fengs ganzes Gesicht verwandelt sich in Lachen. Der Mann hat einen riesigen Humor. Und er liebt Fan Fan, das ist klar zu sehen.
„Vermisst ihr eure Heimat?“, will Fan Fan wissen und hält sich erschrocken die Hand vor den Mund. Ich habe verstanden. Die Frage ist, wo unsere Heimat ist. Ich schaue Yuki an und sie nickt zögernd. „Schon“, sagt sie. „Aber ich finde es auch toll in den USA zu sein.“
„Ich bin dort zu Hause, wo Yuki ist“, ist meine Antwort. „Vielleicht kommen wir permanent nach Amerika, vielleicht gehen wir zurück. Und Japan ist auch eine Option. Aber wirklich nur im Notfall. Ich bin zu sehr im Westen sozialisiert.“
Fan Fan und Feng nicken synchron. „Das geht uns beiden auch so“, sagt sie. „Außerdem leben in unserer Heimat zu viele Chinesen“, ergänzt Feng und grinst dabei. Humor der besonderen Art.
Wir sprechen über seine Sorgen, von seinen SchülerInnen leben kann er leider nicht. Es ist kein jammern, er erzählt es ganz gelassen. „In spätestens sechs Monaten ist der Laden dicht.“
Kanji vs. Hanzi
„Ich habe mal vor einer Weile versucht einen japanischen Text zu lesen“, erzählt uns Fan Fan. „Einige Hanzi konnte ich erkennen, aber diese anderen Symbole nicht. Wie ist das bei euch, könnt ihr chinesische Texte verstehen?“
„Wir nennen die Symbole Kanji“, erwidere ich. Die anderen Schriften sind Hiragana und Katakana. Auch wir verstehen nur einen Teil komplexer Texte. Das hat einen besonderen Grund.
Japan benutzt noch die Langzeichen und hat eine Reform gemacht, mit der die Volksrepublik China nicht einverstanden war. Die hat dann die Kurzzeichen eingeführt und wir dürfen nun raten. Das funktioniert zwar, aber dann gibt es wieder die unterschiedlichen Bedeutungen.“
Fan Fan schmunzelt und nickt, als Elfchen das Wort ergreift. „Wir könnten uns zwar Briefe schreiben und sinngemäß die meisten Formulierungen verstehen. Aber eben wirklich nur fast! Missverständnisse inklusive.“
Ich kenne einige der Unterschiede und male sie auf einen Block. Vor allem Feng lacht schallend, als ich das Kanji für Toilettenpapier schreibe, das in Japan Brief bedeutet. Prompt nenne ich ihn „Baka.“ Er kennt das Wort und lacht noch mehr.
The new Deal
Einige Tage vergehen, das Leben plätschert seicht. Die USA warten auf Trump und ich auf Merkels Fenstersturz. Aber während „El Presidente“ bald auftrumpfen darf, wird der Abgang Merkels noch dauern.
Ein kleines Highlight reißt uns aus der Routine von Firmenberatung und Übersetzungen. Allys Dad, der Oberstleutnant, hat eingeladen, die Base hat einen Tag der offenen Tür. Es ist Samstag, Ally und Heather sind dabei und unsere neuen Freunde Feng und Fan Fan.
Überall wimmelt es von Uniformen und Rangabzeichen, die ich bisher nur aus Filmen kannte. Stolz werden uns Ausrüstung und Fahrzeuge gezeigt. Die Sporthalle weckt mehr mein Interesse.
Eine blonde Frau, die mich locker um zwei Köpfe überragt, wirbelt einen jungen Mann über die Matte. Der arme Kerl versucht alles, aber ich erkenne eine Judoka. Feng darf gegen einen Sergeant antreten, der gut ist, aber keine Chance hat. Allys Dad schaut zu und nickt immer wieder anerkennend.
„Jetzt sehen Sie unser Problem“, sagt er zu Feng. „Es fehlt ein guter Trainer!“ Er überlegt kurz und spricht dann mit der Blonden, die er uns als Major Nancy Obermeier vorstellt. „Ja“, sagt sie und lacht, „ich habe deutsches Blut in mir. Leider kann ich nur wenige Worte sprechen.“
Zwei Soldaten machen Sparring, was einfach nur fürchterlich schlecht aussieht. Nancy bemerkt meinen Blick und seufzt. „Können Sie Karate?“ „Etwas“, erwidere ich. Darf ich?“ Ich korrigiere den Stand der Männer und zeige, was falsch an ihrer Deckung ist.
Nancy nickt. „Sie sind eine Sensei, stimmts?“ „Ja“, sage ich. „Karate liegt mir im Blut.“ Wir sprechen über ihren und meinen Werdegang. Dann muss ich ihr die Unterschiede zwischen Aikido und der alten Form zeigen. „Wow!“, sagt sie. „Das habe ich nicht gewusst.“ Dafür weiß ich längst mehr. Die Frau ist eine Schwester.
„Grob gesagt wird der „Gegner“ im Aikido weich geführt“, erkläre ich. „Es gibt weit ausholende Bewegungen. Im Aikijujutsu ist die Bewegung kurz und hart, was im Ernstfall einen Gegner (für immer) ausschalten wird.“ Yuki und ich machen es vor und Elfchen darf nun auch mich zu Boden werfen. Sanft natürlich, was habt ihr denn nun gedacht!
Achtung Baby!
Später erfahren wir, dass Allys Dad Feng als Trainer anheuern will. Zwar gibt es noch einiges zu klären, aber der Deal ist per Handschlag schon perfekt. Feng wird die Soldaten einige Stunden pro Woche unterrichten. Das bringt Geld und hilft ihm weiter. „Super!“, freut er sich. „Jetzt kann mein kleiner Club weiter bestehen.“
Oberstleutnant John muss noch zu einem anderen Termin, aber Nancy führt uns weiter. Auf dem Schießstand angekommen leuchten Allys Augen auf. „Dad hat mich schon als Mädchen mitgenommen“, erzählt sie uns. „Ich habe sogar eine eigene Pistole.“
„Ob ich das bitte versuchen darf?“, meldet sich überraschend Fan Fan. „Was ist mit euch? Macht ihr mit?“ „Man soll Gegner genau studieren“, erwidere ich und muss an die Abwehrtechniken gegen Waffen denken. „Erklärt mir wer, was zu beachten ist?“
Sergeant Brenda, eine resolute Frau, der die Butch auf der Stirn geschrieben steht, erklärt uns die Regeln und weist uns ein. Mir verpasst sie eine Glock, die ich anerkennend trage. Nun habe ich eine Menge Talente, Schießen gehört (noch) nicht dazu.
Zwar knallt es toll, aber die Scheibe zeigt keine Löcher. Was habe ich falsch gemacht? Brenda kümmert sich mütterlich um mich und erklärt mir Kimme und Korn. „So halten und dann eine Linie bilden lassen, Druck am Abzug verstärken und PENG!“
Immerhin treffe ich im zweiten Durchgang die Scheibe. Ally macht mir vor, wie es wirklich geht. Und Fan Fan ist auch besser als ich. „And the Winner is China!“, verkündet sie und wir müssen alle lachen. Dann gibt sie zu, dass sie schon früher geschossen hat. Feng und Yuki passen, sie schauen lieber zu.
Trotz Ohrschützern dröhnt mir der Kopf, als Brenda eine .44 Magnum schießt. „Desert Eagle“, sagt sie stolz. „Das ist Baby Jane.“ Mir fallen Nancys Blicke auf, die kaum die Augen von Brenda lassen kann.
Ich weiß, wenn ich zwei Liebende sehe. Und die beiden sind definitiv ein Paar. Nancy hat meinen Blick bemerkt. Als ich auffordernd nicke macht sie einen Schritt auf Brenda zu und umarmt sie kurz. „Sie ist mein Baby“, sagt sie leise. Alles klar?“
Don’t ask, don’t tell
„Bis vor einigen Jahren war Homosexualität bei den amerikanischen Streitkräften geächtet“, erklärt Brenda. „Wer sich öffentlich machte, musste mit Konsequenzen rechnen. Don’t ask, don’t tell, war viele Jahre die Devise.
„Wir kennen uns schon lange“, erzählt Nancy. „Brenda war meine Ausbilderin.“ „Und sie die schlechteste Schülerin“, ergänzt Brenda und lacht verschmitzt. „Nein, natürlich war sie gut! Ich habe mich irgendwie gleich in sie verliebt, aber das durfte niemand wissen.“
Brenda ist mit ihren vierzig Jahren sechs Jahre älter als Nancy. Die beiden sind seit 2010 offiziell ein Paar, getroffen haben sie sich schon früher. Und geheiratet haben sie auch. „Ich bin im dritten Monat“, gesteht uns Nancy.
Ein Freund der beiden ist der Vater, künstliche Befruchtung hat das Wunder möglich gemacht. Nancys Augen leuchten. Wenn es um Kinder geht sind alle Frauen gleich. Die Waffen sind längst vergessen und der arme Feng ist abgemeldet. Bis Fan Fan ein Einsehen hat und ihn liebevoll küsst.
Auch ich habe ein Einsehen und beende für heute diesen Artikel. Im nächsten Teil beleuchte ich die dunkle Seite der USA, die viel zu oft aus Drogen und Gewalt besteht.