Als in Deutschland aufgewachsene Japanerin, die bis vor einigen Jahren auch die deutsche Staatsbürgerschaft hatte, habe ich auch die kaum vorhandene deutsche Streitkultur erlebt. Aber darüber werde ich mich auf keinen Fall streiten, das war lediglich ein provokanter Witz.
Streiten wir!?
Während die deutsche Sprache für Japaner gut erlernbar ist, bleibt das Verständnis der deutschen Mentalität weitaus schwieriger. Schon eine etwas lauter geführte Diskussion, klingt für Japaner wie ein heftiger Streit. Japaner sind selten laut und überaus höflich. Selbst in politischen Talkshows, wird der jeweilige Sprecher normal nicht unterbrochen. Im Parlament sieht das wieder anders aus, dort wird es Zwischenrufe geben.
Umgekehrt stehen Deutsche in Japan vor dem gleichen Problem und können die japanische Mentalität nur schwer begreifen. Während Yuki und ich verstehen, welchen Grund die jeweils andere hat um „sauer“ zu sein, während wir auch dazu in der Lage sind darüber zu reden, wird das der durchschnittliche Japaner selten machen. Das führt zu Missverständnissen und macht Ehen und Freundschaften zwischen Japanern und Ausländern schwieriger. Jüngere Japaner sind allerdings eher dazu bereit, diese Klippe zu umschiffen.
Let’s fetz!
Yuki und ich streiten durchaus. Aber wir haben uns noch nie beleidigt. Im Gegensatz zu ihr habe ich aber deutlich mehr Temperament und kann, zumindest bei Fremden, durchaus heftiger in meiner Wortwahl sein. Das gilt für Deutschland, Japan und die USA. Yuki ist zurückhaltender, aber auf keinen Fall schüchtern. Sie kann, muss aber nicht alles sofort ausdiskutieren und sagt dann ab und zu „Lass uns morgen darüber reden.“
Von deutschen Freunden weiß ich, dass in einem solchen Fall zumindest eine Partei (halb) wahnsinnig wird. Aber während Frauen einen Streit gern vermeiden oder zumindest schnell beenden, bin ich bei Männern überfragt. Meine Eltern sind kein gutes Beispiel dafür. Mein Papa ist kein Tyrann, er hat meine Mutter noch nie angebrüllt. Streit, im Sinn von Meinungsverschiedenheiten, haben sie schon öfter gehabt.
Meinungen
Ob wir zurück nach Japan gehen, hat zu durchaus kontroversen Diskussionen zwischen meinen Eltern und mir geführt. Auch untereinander waren sie sich zu Beginn nicht einig. Wir haben uns diesen Schritt auf keinen Fall leicht gemacht, ihn aber auch niemals bereut. In Japan kann man sehr gut leben. Mein Vater hat früher sehr viel Zeit in seinem Dojo verbracht, meine Mutter hat das eine Weile toleriert. Auch wegen mir und den Nachbarkindern.
Eines Tages hat sie meinem Vater geschäftliche Unterlagen ins Dojo gebracht und ging mit Tante Helga shoppen. Papa hat sofort verstanden. „Streit“ unter Japanern kann so einfach sein. Vor allem wenn Frau die (heimliche) Chefin der Familie ist. Mit zunehmenden Alter hat sie aber gelernt, dass sie meinen Vater durchaus direkt ansprechen kann. Wobei auch in diesem Fall die japanische Höflichkeit siegt.
Beschimpf mich!
Yuki und ich werfen uns durchaus spaßig gemeinte Schimpfworte an den Kopf. Zumindest haben wir das häufiger gemacht, als Aiko noch kein Teil unseres Lebens war. Mit Streit hat das nichts zu tun, es gehört schon immer zu unserem Leben. Meine kräftigeren Oberschenkel haben Yuki veranlasst mich „Dicke“ zu nennen, während ich ihre etwas dünneren Beine als „Spaghetti“ bezeichnet habe. Worte wie „dumme Kuh“ kämen uns allerdings nie über die Lippen. Das Wort „Baka (onna)“ tut es auch.
Nun gibt es weder „den Japaner“, noch „den Deutschen.“ Auch wenn vielleicht einige Klischees stimmen, alle Menschen sind anderes und individuell zu sehen. Ich habe Japaner erlebt, die sich heftig in der Öffentlichkeit stritten und Deutsche die bei Streitgesprächen sehr höflich und leise geblieben sind. Trotzdem erlaube ich mir als Fazit zu sagen, dass Japaner die besseren „Streiter“ sind. Auch im Karate. Aber das hat die Welt schon immer gewusst.
Hier in Thailand denken Deutsche oft, Thais stritten sich am Telefon, wenn sie so laut sprechen, ist aber meist nicht so.
Ich habe nach 10 Jahren immer noch nicht gelernt, dass meine Thai Frau es nicht böse meint, wenn sie zu mir in einem für mich unfreundlichem Ton redet. Für Europäer gilt „c’est le ton qui fait la musique“, in Thai macht der Ton die Bedeutung, für uns die Stimmung. Das macht es für mich schwierig, beim Reden wie beim Hören.
Ich habe übrigens schon Japaner gesehen, die sich sehr laut und ausfällig benahmen, wenn sie betrunken waren 😉
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Wie andere Asiaten auch. Alkohol löst bekanntlich die Zunge. 😉
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Wie auch Europäer, Amerikaner, etc. 😆😒
Aber Thais und Japaner überborden dann mehr,, denke ich, weil sie im Normalfall nicht dürfen, sich zusammenreißen. Thais (m/f) sind normal gefasst im Ärger, wenn der Schalter dann kippt, sind sie nicht mehr zu halten.
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Es kann auch an der Unverträglichkeit von Alkohol liegen. Vielen Asiaten fehlt das entsprechende Enzym.
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Das war interessant zu lesen.
In ungefähr hast du bestätigt, was ich mir so bereits dachte 😊
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Kulturelle Unterschiede können schon lustig sein. 🙂
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Oh ja. Persönlich fiel mir das besonders auf durch eigenes Erleben bei dem Ländereienpaar:
Good Old Germany und Pretty New USA …
Man glaubt es nicht. Es sei denn man hat beides in persona ein paar Jahre erlebt.
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Ab und an ist die Wirkung kultureller Unterschiede in einer Beziehung auch gar nicht lustig, hier bei Thai und Schweizer.
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Man(n) kann doch bestimmt über alles reden.
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Ich schon 😄
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Kannst du Thai?
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Haha 🙂 Ja, die Sprache sagt viel über die Kultur, über die Denkweise eines Volkes, daraus lernte ich einiges zu verstehen. Ich spreche genügend für Strasse und Einkauf, aber nicht genügend, um über Gott und die Welt zu reden. Am sprachlichen Verstehen liegt es nicht, oder kaum, denn meine Frau schloss ihr Studium mit einem Bachelor in English ab.
Stereotyp gesagt sind Thais nicht sehr gewohnt, zu diskutieren oder zu debattieren. Eine andere Meinung wird oft als Angriff oder als Kritik aufgefasst, nicht nur durch meine Frau.
Nebenbei gesagt: Kritik ist für Thais etwas sehr Negatives. Meine Frau reklamiert zB sehr ungern bei einem Handwerker, sie gibt ihm einfach keine Aufträge mehr. Dass ein defektes Gerät unter Garantie in den Laden gebracht wird, war für sie neu.
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Heute sprach eine Japankennerin hier, da musste ich an dich denken:
https://www.hr2.de/programm/doppelkopf/doppelkopf–am-tisch-mit-ursula-graefe-zeichendeuterin,epg-doppelkopf-690.html
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Dankeschön für diesen Link. Ursula Gräfe übersetzt Murakami schon sehr gut. Zu schade, dass ich das nicht mache. 😉
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Danke sehr für den Link. Murakami Haruki mag ich sehr. Besser als Murakami Ryu 😁. Von Haruki habe ich alle Bücher ausser das Laufbuch gelesen, teils in Englisch, teils in Deutsch.
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Chinesen streiten und reden (generalisierend gemeint) viel lauter als Deutsche. Vor meiner Chinareise hatte ich sie mir viel ruhiger vorgestellt. Die Südchinesen (auch Yi Mans Familie) sind am Lautesten. Als ich nach einem Monat zurückkam, genoss ich erst einmal die Stille in Köln. 😅 Für Japaner wirken Chinesen dadurch wahrscheinlich unhöflich. Da Chinesen in der Regel sagen, was sie denken, gibt es hier wahrscheinlich weniger kulturelle Missverständnisse mit Deutschen.
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Vor allem ältere Japaner haben keine besonders hohe Meinung von Chinesen. Das gilt allerdings auch für Koreaner. Man kann das in etwa mit dem Verhältnis Deutscher – Franzosen – Engländer vergleichen. Die, das ist zumindest meine Erfahrung, sind sich immer noch nicht so wirklich grün, wenn du verstehst.
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