Wenn der Kom­mi­li­to­ne fummelt

Nyah ist neu an der Uni, Nyah ist aus dem Tschad. Schon als Kind ist sie nach Deutschland gekommen und spricht die Sprache nun perfekt. Ihr Wunsch ist Jura zu studieren, da sie anderen Menschen helfen will. Nyah hat viel erlebt in ihrem Leben, auch Anfeindungen gegen ihre Person. Als Kind war sie „die Schwarze“, oder das „Mädchen aus Afrika.“

Nyah ist ein stilles Mädchen. Etwas schüchtern, aber positiv eingestellt. Ihre ersten Tage an der Uni sind spannend, sie muss hier ihren Weg erst finden. Da hilft es, wenn ältere Semester sich kümmern. Nyah ist Single, sie hat noch keinen Freund gehabt. Schule und (Aus)Bildung sind ihr wichtiger, als flüchtiger Körperkontakt.

Simon ist nicht neu an der Uni, Simon ist ein alter Fuchs. Und als seine Augen Nyah sehen, wird die Lust in ihm geweckt. Er sucht Nyahs Nähe und macht sich bekannt. Seine helfende Hand sucht immer wieder den Körperkontakt, gern fasst er die dunkle Schönheit an.

Nyah ist verunsichert. Zwar mag sie Simon, seine Hilfe, die Hände sind ihr unagenehm. Nyah hat Angst etwas zu sagen, in ihrer alten Heimat widersprechen Frauen nicht. Die Sache eskaliert, als Simon sie zur Party bittet. Um neue Kontakte zu knüpfen geht Nyah widerwillig mit. Ein Fehler, wie sie schnell bemerkt.

Kaum Frauen, aber umso mehr Männer, finden sich in dem Verbindungsheim. Prompt wird sie angestarrt und kommentiert. Nyah hat Angst, sie will nach Hause gehen. Aber Simon bittet sie zu bleiben, er habe noch eine Überrschung für sie. Und die Überrschung gibt es wirklich, als er sie in ein Nebenzimmer lotst und zu küssen versucht.

An dieser Stelle gibt es einen harten Schnitt, die Handlung wird kurz unterbrochen. Die Kriminologin Katrin List bringt es in ihrer Studie auf den Punkt. 81 Prozent der Studentinnen haben bereits sexuelle Belästigung erlebt. Vergewaltigungen seien aber selten. Lediglich 3,3 Prozent der Befragten gaben an, während ihrer Studienzeit sexuelle Gewalt im strafrechtlichen Sinne erlebt zu haben.

Ich habe diese Art der Anmache am eigenen Leib erlebt. Viele Männer interessiert es nicht, ob Frau lesbisch ist. Nur weiß ich mich zu wehren, mit Worten und zur Not mit Tat. Und auf Männerparties gehe ich nicht, ich lebe meist in einer Frauenwelt. Und Frau muss sich zwingend gegen Belästigungen wehren. So, wie ich.

In den USA gibt es weitaus mehr Übergriffe. Sexuell verklemmte Männer nehmen sich mit Gewalt, was Frau nicht freiwillig gibt. Positiv: dort wehren sich immer mehr Studentinnen mit Beschwerden gegen diese Art der Gewalt. Und die Hochschulen reagieren zögernd. Und Deutschland macht das auch.

Nyahs Fall nimmt eine positive Wendung, als ein nigerianischer Kommilitone den Raum betritt. Mit einem Blick erkennt er die Situation und stößt Simon zurück. Nyah zittert und ist kaum zu beruhigen. Anzeige gegen Simon will sie keine machen, aber ihr Retter besteht darauf. Sein Name ist Ochuko und das heißt Geschenk. Und genau das wird er für Nyah werden.

Simon wird nach § 177 StGB wegen sexueller Nötigung angeklagt und in letzter Konsequenz noch von der Uni verwiesen. Es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Neben Nyah melden sich noch zwei weitere Studentinnen zu Wort, bei denen Simon seine Masche ebenfalls versuchte. Eine davon hat er sogar geschlagen.

Niemand weiß, wie weit Simon bei Nyah gegangen wäre. Für ihn war es ein harmloser Kuss. Für Nyah Gewalt gegen ihre Person. Und damit hat sie recht. Nach § 177 Abs. 1 StGB ist eine sexuelle Nötigung eine Nötigung, die auf die Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen gerichtet ist, wobei der entgegenstehende Wille des Opfers durch den Täter gebeugt wird.

Ich habe Nyah vor einigen Jahren bei Freunden getroffen und sie hat mir diese Geschichte erzählt. Durch mich ist sie zum Karate gekommen und Ochuko auch. Den hat sie übrigens geheiratet. Nicht wegen der Tat, es war Liebe auf den ersten Blick. Und Ochuko darf auch bei ihr fummeln, wie sie verlegen gesteht.

13 Kommentare zu “Wenn der Kom­mi­li­to­ne fummelt

  1. Wenn ich so etwas lese wird mir immer ganz anders. Als Vater einer fast erwachsenen Tochter hoffe ich dann immer, dass ich ihr mit meiner Erziehung genug Selbstbewusstsein mitgegeben habe damit sie sich gegensolche Typen wehren kann.

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  2. Ich bin froh, dass diese Geschichte ein Happy End hat. Ich wünschte, jede Geschiche, die so anfängt, hätte eines; und ich wünschte, es gäbe weniger Geschichten, die so anfangen.

    Nyah und Ochuko wünsche ich alles Gute! 🙂

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  3. Manchmal bin ich froh, dass ich „alt“ bin und damit raus aus dem Spiel. Wie war das damals, als ich zur Uni ging? War es tatsächlich weniger Belästigungen? Oder kann ich mich nicht mehr erinnern? Jedenfalls konnte ich mich wohl wehren und war auch schon aufgrund meiner Größe und meinem Auftreten nicht so attraktiv für „zufällige“ Übergriffe. Deine Geschichten, liebe Mayumi, machen Mut sich zu wehren und als Frau selbstbewusst aufzutreten. Danke! LG Ulrike

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  4. 81%. Wow. Somit also ein Hoch auf meine Kommilitonen. Denn ich gehöre glücklicherweise zu den anderen 19%. Und das bei Informatik, wo nur 10% Frauen mit dabei sind. Aber vielleicht habe ich da auch einfach mit meinem Freundeskreis ein Riesenglück gehabt. Mein bester Freund damals war echt eine Seele von Mann. Durch ihn habe ich meinen damaligen Freund kennengelernt, dafür hatte ich dann auch immer ein offenes Ohr für seine Probleme mit seiner Fernbeziehung. Und angefasst hat er mich nie. Und auch ein anderer hat es nie versucht.

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  5. Ich habe vor ca. 2 Wochen einen Beitrag über die sexuellen Belästigungen in den USA gesehen und auch, dass der Mann sich bei der Frau gesetzlich vorher die Einwilligung zum Sexualverkehr einholen muss, damit die Seiten geklärt sind. Es hieß auch, dass jede Frau an der Uni bereits sexuell belästigt wurde. Traurige Tatsache.

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