Ich geb Gas – Ich will Spaß! (Teil 3)

Hand in Hand gehen wir in einen neuen Morgen. Symbolträchtig und in trauter Zweisamkeit. Wie Zuckerguss bedeckt der Schnee das Land. Ein Bild des Friedens.
Der gleiche Frieden ist auch in mir. Hier und jetzt muss ich nicht kämpfen.
Wir reden. Über uns und unser Leben. Über Pläne und Ziele, den Weg zum Glück.
Plötzlich lässt mich Yuki los und wirft Schnee nach mir.
Ausgelassen tollen wir durch die weiße Pracht. Es gibt keine Siegerin. Nach wenigen Minuten sehen wir beide wie eine Yuki-onna aus. Der Spaziergang in der Kälte hat uns gut getan. Wir sollten das viel öfter machen. An der frischen Luft denkt es sich viel besser. Worüber wir geredet haben werde ich in einem anderen Beitrag schreiben, der wieder richtig vernünftig wird. Versprochen!
„Ich habe Hunger“, sagt Yuki. „Wollen wir frühstücken gehen?“

Zurück im Hotel treffen wir auf Graf Werner. Er winkt uns freundlich zu
„Wir gehen Skifahren, kommen Sie mit?“
Aber wir haben andere Pläne.
„Schade“, sagt er und verabschiedet sich. „Und denken Sie daran mich zu besuchen, wenn Sie in Hamburg sind.“
Wir zahlen und fahren los. Durch Winter, Sonne und Schnee. Leben pur. Ich liebe es.
Die Reise reißt ein dickes Loch in unser Budget. Vernunft ist anders.
Wie gut, dass es noch meine Eltern gibt und deren finanzielle Hilfe. Ich nutze sie nie aus, das habe ich nie getan. Aber Geld erleichtert viele Dinge. Und ich bin dankbar dafür.

Ich muss an die Bloggerin Charlotte denken. Sie erlebt täglich Natur pur hier in der Schweiz. Fast bin ich neidisch und muss ihr das unbedingt sagen.
Aber ist das Gras auf der anderen Seite des Meeres nicht immer etwas grüner?
Auf youtube habe ich das Lied von Markus gefunden. „Ich will Spaß, ich will Spaß“, krächzt er aus dem Handy.
Wir müssen lachen. Spaß, den haben wir.
Kugelblitze und Raketen heißt das Album.
Steht Golf R für Rakete? Das werden wir dann sehen.

Wir cruisen durch ein von Kälte erstarrtes Land. Malerisch, verzaubert liegen Wald und Flur. Und majestätisch erheben sich die Berge.
Snow Patrol „Chasing Cars“ läuft im Radio. „Let’s waste time“, höre ich.
Nein, wir verschwenden keine Zeit. Zeit ist ein zu kostbares Gut. Zeit wissen wir immer gut zu nutzen. Wichtig ist, dass wir zusammen sind.
Wir fahren zurück nach Deutschland, verlassen die schöne Schweiz.
Der Golf darf endlich zeigen, was wirklich in ihm steckt. Aber R steht nicht für Rakete, bei 250 km/h ist mit dem Vortrieb Schluss. Und doch hat der Wagen Flair. Aber fast 40.000 Euro ist uns der Spaß nicht wert. Woher sollten wir die auch nehmen?
Manchmal heißt es vernünftig sein.

Warum auch immer kommt mir die Ralleyfahrerin Jutta Kleinschmidt in den Sinn. Sie war eine der Heldinnen meiner Teenagerzeit. Eine starke Frau in einer von Männern dominierten Welt. Und die erste Frau, die jemals die Ralley Paris-Dakkar gewonnen hat. Vielleicht steht beim Golf das R für Ralley. Ich sollte das bei Gelegenheit testen. Lust hätte ich dazu.
Noch einmal denke ich an die Schweiz zurück, an den Winter. Wie schön wäre es in einem fremden Land einfach abzutauchen. Eine Weile nichts tun außer Schreiben.
„Bring doch deine Haikus endlich als Buch raus“, sagt Yuki. „Ich helfe dir dabei. Und deine Texte schauen wir auch alle durch. Die kombinieren wir dann mit deinem Blog zu einem Buch mit Kurzgeschichten.“
Vor Jahren hatte ich diese Idee selbst gehabt, aber lange wieder verworfen. Ich bin keine Schriftstellerin, das bilde ich mir nicht ein.
„Stimmt, du bist doof“, sagt Yuki. „Und jetzt gib endlich Gas. Oder lass mich ans Steuer.“
Natürlich höre ich auf sie. Yuki fährt wirklich gut. Nur anders. Vernunft regiert bei ihr.

Yuki schaut mit dem Handy nach Mails.
„Wir bekommen in den nähsten Wochen einen BWM 235i zum Test“. lässt sie mich wissen. „3 Liter Hubraum, 326 PS, 450 Nm, 250 Spitze. In Rot! Wie gefällt dir das?“
Ich bin sofort begeistert und trete spontan das Gaspedal durch.
Der Golf stürmt los und röhrt vor Freude.
Yuki lacht.
Vernunft ist anders.

Wir suchen auch in Deutschland die Natur und parken den Raketengolf am Waldrand. Fuchs und Hase sagen sich hier gute Nacht. Das mögen wir.
Mein Handy klingelt. Es ist mein Lieblingscousin Ken. Er fragt wie es uns geht und ob wir nicht endlich Kinder wollen.
Ich beschimpfe ihn aus Spaß und höre sein Lachen. Er ist wirklich ein verrückter Kerl.
Als ich ihm vom Golf erzähle will er alles wissen. Ich muss Bilder machen und ihm schicken.
Ken ist völlig aus dem Häuschen, aber als er den Preis des Wagens hört schweigt er betroffen.
Unvernunft hat ihren Preis.

Ken kündigt an im März wieder in Deutschland zu sein. Er hat die Bilder seiner letzten Reise gut verkauft und etwas Geld gemacht.
Ich freue mich. Diesmal werden wir auch zusammen ins Training gehen.
Kaum hat Ken aufgelegt, als das Handy wieder klingelt.
Es ist Ilka, die Juristin. Sie lädt uns für kommendes Wochenende zum Abendessen ein, denn sie hat etwas zu feiern. Der Grund heißt immer noch Amelie.
Auch das freut mich und ich gönne ihr das Glück von Herzen.
Ich starte den Golf und gebe Gas. Im Tiefflug nach Hause. Ein letztes Mal Unvernunft, ein letztes Mal Fahrspaß pur.

„Ich geb Gas – Ich will Spaß!“, hat Markus vor mehr als 30 Jahren gesungen. Manchmal können auch Männer ganz (un)vernünftig sein.

28 Kommentare zu “Ich geb Gas – Ich will Spaß! (Teil 3)

  1. Wie schön, dass es Euch in der Schweiz gefallen hat! Mir gefällt es hier auch – landschaftlich auf jeden Fall. Auch zum Leben ist es bestimmt nicht die schlechteste Wahl. Überall auf der Welt gibt es schöne Ecken, auch in Deutschland gibt es Orte, an die ich sehr gerne gehe oder die ich noch besuchen möchte. Aber ich schätze es sehr, nach einer Reise wieder nach Hause in die Schweiz zurückkehren zu dürfen.
    Ich würde Yuki und Dir ja gerne mal mein Häuschen als günstige Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung stellen. Aber für jemanden mit einer Katzenallergie ist das vermutlich nicht so eine schlaue Idee. :o)
    Herzliche Grüsse
    Charlotte

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    • Wir sind und waren immer Reisetanten 😉 Aber ohne Job wird das schnell sehr teuer. Wir wollen dieses Jahr wieder nach Japan. Und auch in Europa lockt noch so mancher Fleck.

      Die Schweiz, die Berge, die Natur, das hat was! Und an die Sprache kann man sich gewöhnen 😀 Wir kommen bestimmt eines Tages wieder. Aber vorher stehen andere Dinge an. Dazu bald mehr auf diesem Blog.

      LG auch an dich

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      • Den Dialekt im Obergoms verstehen auch Üsser-Schwizer, das ist deren „offizielle“ Bezeichnung für uns andere Schweizer, nur schwer und nach mehrmaligen Rückfragen, aber vielleicht meintest Du das Deutsch, das die Schweizer in der Schule lernen und Hochdeutsch nennen 🙂

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      • Ich verstehe durchaus Dialekte und finde die toll! 🙂 Aber ich meinte wirklich den „normalen“ Schweizer Dialekt. Bei Niederbayrisch und Plattdeutsch müsste ich auch meist passen 😀

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  2. liebe n., die drei teile erzählen von einer schönen kurzreise, du hast es sehr lebendig erzählt. es klingt nach viel spaß, innigkeit und wohlfühlen. nach richtiger erholung klingt es. gut so! 🙂
    liebe grüße!

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  3. Die 3-teilige Geschichte gefiel mir sehr, ich las sie mit Vergnügen.
    Teurer Golf R? Von wegen. Ein Golf GTI DSG 6 speed kostet hier in Thailand 51,880 Euro, ein Porsche Cayenne Turbo Tiptronic S 376,120 Euro., haha, und es gibt Leute, die das kaufen, zB einen 911er für den 21-jährigen Sohn, ich kenne Vater und Sohn 🙂

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  4. Schöne Geschichte.
    Ich hoffe aber das du der Unvernunft später mal erliegst.
    Es macht so herlich Spass wenn man jeden Tag ein klein wenig
    unvernünftig sein darf. Du kannst ja auch das Typenschild entfernen.
    Spart man sich das Gemecker mit der Partnerin.

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    • Dankeschön 🙂

      Ich mache nichts ohne Yuki. Wenn wir ein solches Auto wollen entscheiden wir das gemeinsam. Aber wir haben zur Zeit das Geld nicht. Ich könnte mir aber schon vorstellen irgendwann einmal einen Flitzer zu haben. Schau mer mal 😉

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  5. Ich habe die Geschichte auch gerne gelesen. Du paarst Alltag, Erlebnisse und tiefe Gedanken. Du schreibst wunderschöne Haikus. Und du hast was zu sagen. Lass dir den Gedanken mit dem Buch noch mal durch den Kopf gehen und vergiss mal für den Moment Vernunft und Unvernunft.

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