Ich habe das Glück Beziehungen zur Automobilbranche zu haben. Familienbedingt. Daher darf ich ab und an einen sogenannten Boliden fahren. Das macht mir durchaus Spaß. Nur darüber schreiben darf ich eigentlich nicht. Zumindest wenn es die Marke, technische Details, oder den Motor betrifft. Was bleibt mir also übrig, als von einem Flitzer zu sprechen? In Rot versteht sich! Und wie lange ich von unserer Wohnung bis nach Düsseldorf brauche. Vielleicht könnte ich noch von der Höchstgeschwindigkeit sprechen, die jenseits der 300 km/h liegt. Und das ist richig schnell!
Samstag, 14.Dezember 2013, 2:30 Uhr in der Nacht. Es ist recht kalt, als wir zu dem ausgeliehenen Flitzer gehen.
„Hat der auch eine Sitzheizung?“, will Yuki wissen.
„Logisch“, erwidere ich. „Das Teil hat alle Extras.“
Wir verstauen zwei kleine Reisetaschen im Kofferraum und nehmen Platz. Und über genügend Platz verfügt dieser Bolide wirklich. Zwei kleine Mädels wirken recht verloren darin.
Ich drücke verschiedene Knöpfe am ultraergonomiaschen Ledersitz. Leise summend passt er sich mir an.
Als ich den Motor starte bleibt mir fast die Luft weg.
Yuki schaut mich entgeistert an, als das blubbernde Dröhnen an unsere Ohren dringt.
„Irre!“, sagt sie.
Der Wagen hat kein Schaltgetriebe, sondern eine Automatik. Und Allrad. Und trotzdem verrate ich die Marke nicht.
Xenon Licht zeigt mir den Weg, als ich den Automatikhebel auf S, wie Sport stelle. Wenn schon, dann richtig!
Als ich Gas gebe macht der Wagen einen Satz nach vorn und presst uns in die Sitze.
„Uff“, entfährt es Yuki. „Mein Bauch!“
Ich muss lachen und genieße das Gefühl. Der Bolide schießt die Straße entlang und ich muss mich und das Fahrzeug bremsen. Noch sind wir nicht auf der Autobahn.
„Braucht der viel Benzin?“, will Yuki wissen.
„Ja“, sage ich. „Aber wir müssen das ja nicht zahlen.“
Mit dem Wagen habe ich nämlich eine spezielle Tankkarte bekommen. Extra auf meinen Namen ausgestellt. Volltanken also kein Problem.
Etwas mehr als 400 km liegen vor uns. Die sind mit dem Auto normalerweise nicht unter 4 Stunden zu schaffen. Aber das ist kein normales Auto mehr. Das ist Wahnsinn pur. Mehr als 500 PS, über 300 Spitze. Ob ich die ausfahren kann? Ich bin gespannt.
Es ist wenig Verkehr um diese Zeit. Schnell entwickele ich ein Gefühl für den Boliden, der Kraft satt sein eigen nennt. Vermutlich lassen wir momentan etliche Männerherzen höher schlagen. Was nicht nur an unserem exotischen Aussehen liegt. Diesmal ist es der rote Wagen. Und der ist ultradeutsch.
Auf der Autobahnauffart beginnt der Spaß erst richtig.
Ich trete das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Mit weit über 200 Sachen schieße ich über den Asphalt. Ein BMW will nicht zur Seite weichen. Mir ist das egal. Ich überhole ihn noch auf der Auffahrt. Schade nur, dass ich das Gesicht des Fahrers nicht sehen kann. Vermutlich wird er seinen Wagen morgen verschrotten vor lauter Frust.
Die Federung des Boliden ist kaum als solche zu bezeichnen. Wie ich weiß, sind daran auch die dicken Reifen schuld. Trotz der kalten Jahreszeit hat der Wagen noch immer den Sommerlook. Ein Risiko. Aber Bußgeld zahlen muss ich nicht.
Yuki ist aufgeregt. Wie eigentlich immer, wenn wir Autos testen. Selbst fahren will sie das rote Technikwunder nicht.
„Mach du“, hat sie gesagt. „Ich schaue nach dem Weg.“
Aber das muss sie nicht. Selbst ohne Navigationsgerät kenne ich den im Schlaf. Aber ich habe es eingeschaltet und freue mich über den Komfort. Warum auch nicht?
Deutschland bei Nacht ist schön, auch wenn wir kaum viel davon sehen. Nur ab und an eine Nebelbank und den bleichen Mond. Und einige andere Wagen. Aber die huschen wie Schatten nach hinten vorbei. Der Tacho zeigt 240. Und da geht noch mehr.
Ökonomisch ist ein Fremdwort für den Wagen. Er ist auch viel zu teuer. Mehr als 100.000 Euro ohne Extras. Superlative pur. Niemand kauft den, hat man mir gesagt. Solche Wagen werden geleased.
Plötzlich tauchen Scheinwerfer im Rückspiegel auf, der sofort automatisch abblendet. Ich schaue nach links. Ein Porsche zieht vorbei. Kölner Nummernschild.
„Oh, oh“, entfährt es Yuki. „Mach das bloß nicht!“
Sie kennt mich eben. Und sie weiß, was jezt geschieht. Der ahnungslose Porschefahrer wird es gleich erleben.
Kickdown! Der Bolide brüllt auf und stürmt los. Blinker links und Lässig am Porsche vorbei. Warum ist nur die Autobahn so schmal geworden?
280 km/h und da geht noch mehr! Angst habe ich keine.
Der Porsche hält dagegen. Soll er, der wird sich noch wundern.
290 km/h.
Yuki hält sich die Augen zu.
300 km/h. Der Porsche ist noch immer neben mir.
Viel mehr kann der Bolide eigentlich nicht. Dieses spezielle Modell dann schon. Bei dem ist nämlich erst bei 320 km/h Schluss. Aber woher soll das der Porschefahrer wissen?
Adrenalin pur, als die Tachonadel auf 310 klettert. 315 … 320.
Der Porsche gibt auf und fällt zurück, verabschiedet sich mit einem kurzen Lichthupensignal.
Ich lache, die Anspannung fällt leicht ab.
Der Verbrauch des Wagens hat die 20 Liter Marke weit überschritten. Auch das eine Superlative.
In dieser Nacht breche ich vermutlich ein Dutzend Gesetze, was ohne Folgen bleibt. Die Radar App im Smartphone warnt uns vor Radarfallen. Alles geht gut. Während die Tanknadel rapide fällt, bleibe ich meist jenseits der 250 km/h.
Wir unterhalten uns, oder hören Musik.
„Weißt du, dass wir verrückt sind“, sagt Yuki. „Wir fahren hier mit Vollgas durch die Nacht, während alle Leute schlafen.“
„Andere düsen mit Vollgas durchs Leben“, erwidere ich. „Wir nur ab und zu.“
Yuki nickt und holt tief Luft. Sie wirkt müde, aber bleibt tapfer wach.
Nach 2 Stunden und 40 Minuten kommen wir an. Der Tank ist fast leer.
Das Haus meiner Eltern liegt im Dunkeln. Sie schlafen und ahnen nichts von ihrem Glück.
Ich habe natürlich meinen Schlüssel. Im Flur ziehen wir die Schuhe aus und schleichen in mein altes Zimmer. Die Heizung läuft. Auf dem Bett liegt ein Blatt Papier.
„Schön, dass ihr da seid“, hat meine Mama geschrieben. „Wir freuen uns auf euch.“
„Deine Mama ist eine solche Petze“, sage ich gespielt empört und Yuki lacht.
„Komm lieber ins Bett“, sagt sie. „Sonst petze ich dich.“
Ich muss lachen und gebe ihr einen Kuss.
Wer das Wort „petzen“ in dem Zusammenhang nicht kennt: Es wird in einigen Teilen Deutschlands statt zwicken gebraucht. Und meine Frau darf selbst das mit mir machen.
Yuki schläft fast sofort in meinen Armen ein. Ich liege noch eine Weile wach. Mit meiner Frau in meinem Kinderzimmer. Zu Hause.
Morgen wird mein Papa mich in sein Dojo zitieren, um meine Fortschritte zu testen. Ich habe ihn vermisst.
Yuki wird bei meiner Mama bleiben und beim kochen helfen. Angeblich kann ich das ja nicht.
Bruder Schlaf nähert sich im roten Flitzer, meine Augen fallen zu.
„Nicht so schnell“, murmele ich. „Ich mag nicht mehr mit Vollgas durch die Nacht.“
The machine of a dream, such a clean machine | With the pistons a pumpin‘, and the hubcaps all gleam | When I’m holding your wheel | All I hear is your gear | When my hand’s on your grease gun | Oh it’s like a disease son | | I’m in love with my car, gotta feel for my automobile | Get a grip on my boy racer rollbar | Such a thrill when your radials squeal | | Told my girl I had to forget her | Rather buy me a new carburettor | So she made tracks sayin‘ this is the end now | Cars don’t talk back they’re just four wheeled friends now | | When I’m holding your wheel | All I hear is your gear | When I’m cruisin‘ in overdrive | Don’t have t olisten to no run of the mill talk jive | | I’m in love with my car, gotta feel for my automobile | I’m in love with my car, string back gloves in my automolove | |
LikeLike
Schöne Geschichte. In meinem alten Leben hat mich Benzingeruch und Speed genau so beeindruckt. Im neuen lächle ich über diese vergangenen Zeiten, nicht wehmütig, nicht süffisant. Nur wissend. Jeder Kickdown muss enmal enden, und wenns nur wegen der roten Ampel ist oder der Autobahnausfahrt.
LikeLike
Oder wenn der „Tank“ leer ist. Und das geht oft schnell.
LikeLike
M-hm. Das fügte ich in Gedanken noch hinzu. Meiner ist es, ich muss aufladen zwischen den Jahren.
LikeLike
Mein kreativer Tank war am Freitag auch leer. Aber völlig. Mir fehlten zum ersten Mal seit Monaten die Worte. Da kam mir das Auto recht. Ich habe sie wieder eingeholt. Ganz flitzerig! 😉
Blogfrei machen zwischen den Jahren, oder? Das lädt dann wieder. Um zu sprudeln ins danach. Ach … 😀
LikeLike
Nein, nein. Zumindest ist kein Blogfrei geplant, eher … arbeitsfrei, stressfrei, leutefrei. Bloggen soll Freizeit, Regeneration und Spaß bleiben.
Ich bin froh um den Flitzer und um deine gerettete Kreativität 🙂
LikeLike
Ich (wir!) habe(n) noch andere Sachen ganz unflitzerig erlebt. Dafür dann doch schon eilig. Vielleicht in Kürze mehr davon.
Über Weihnachten sind wir wieder in Düsseldorf. Yukis Eltern kommen auch mit. Da blogge ich dann nicht.
LikeLike
Grüßt mir Düsseldorf, ihr beiden! Ich würde es zwar nicht „zweite Heimat“ nennen, aber viele gute und langjährige Erinnerungen hängen für mich an dieser Stadt.
LikeLike
Wird gemacht! 🙂
LikeLike
Ich habe den Geschwindigkeitsrausch nur noch auf meinem Drahtesel, wenn ich unterwegs bin und besonders, wenn ich einen Berg hinab sause…aber 320km/h schaffe ich so nicht 😉
LikeLike
Glaub mir, über 300 km/h sind der pure Wahnsinn, lieber Ben. Aber wenn du gut trainierst schaffst du bestimmt auch die 32 km/h 😉
LikeLike
Also 32km/h schaffe ich sogar recht locker 😀 (wo ist nur das diabolische Smiley?). Ich überhole auch gern mal Autos, wenn sie mit 35km/h durch die Stadt schleichen…
LikeLike
Tour de Ben 😀 Cool!
LikeLike
Ja, dazu habe ich gerade etwas verfasst, wenngleich auch nicht geradelt, aber geadelt 😉
LikeLike
Schon gelesen und kommentatiert … du weißt schon, Sir Ben 😉
LikeLike
Die englischen Wochen, erst Big Ben, nun Sir Ben 😉
LikeLike
Bleib mal besser auf dem Teppich. Die Luft da oben auf dem Turm ist so eisig 😉
LikeLike
Das stimmt und mein Teppich ist angenehm warm, da tepp ich so gern barfuß drüber.
LikeLike
Pingback: Mit Vollgas durchs Grün | farbenfroehlich
Genial!
Und ich bin kein Autofan!
Aber wie du das erzählt hast…schön!
Düsseldorf werde ich im Juni kennenlernen,..leider reisen wir da mit einem stinknormalen Flugzeug an gggg
Liebe Grüße!
LikeLike
Dankeschön 🙂
Ihr könnt euch ja einen Flitzer mieten 😉
LikeLike
NÖ..Gsd ist auch mein Mann kein Autofan 😉
Ich lese lieber wenn du wieder davon berichtest.
LikeLike
Ich durfte schon so einige Boliden fahren. Wobei das Teil wirklich das ultimative Erlebnis war. Und ob ich wirklich über einen langweiligen SUV berichten soll? Gut, der lief auch seine 270 km/h 😀
LikeLike
Aber sicher!!
Es kommt nicht auf das Thema an sondern auf das Wie 🙂
LikeLike
Ich muss erst mal andere Dinge verarbeiten. Lebkuchen und Zimtsterne vor allem 😀
Aber mal schauen, was das neue Jahr so an neuen Autos bringt.
LikeLike
Wir haben ja Zeit!
LikeLike
Oh ja, das ist ein tolles Fahrgefühl in einem solchen Flitzer, da flitzt bei mir die Gänsehaut über die Arme nur beim Lesen. *lach* Ich hatte auch schon die Gelegenheit Sportwagen zu fahren – von Jaguar über Porsche zu Lamborghini. Aber über 280 kam ich nie raus, obwohl der Motor mehr hergegeben hätte; entweder wurde vorher abgeregelt (leider) oder ich war in der Schweiz, in der es einfach nicht ratsam ist, viel zu schnell zu fahren. Dafür ist es schön bei uns, mit solchen Wagen Passstrassen zu fahren – das geht um Kurven, wie auf Schienen und auch das Überholen auf kurzen Strecken ist problemlos. Nur immer möchte ich ein solches Auto nicht fahren, die Federung ist (ausser beim XF) für meinen Geschmack zu hart und die Lautstärke finde ich auf Dauer auch unangenehm. Aber wenn ich einen geschenkt bekommen würde, würde ich ihn nicht ablehnen. 😉
Ich wünsche Yuki und Dir einen schönen Aufenthalt bei Deinen Eltern!
Liebe Grüsse
Charlotte
LikeLike
Wir sind schon am Sonntag wieder zurück. Wir mussten den Wagen ja wieder abgeben.Zurück bin ich aber mit deutlich weniger als 300 😀 Glaub mir, Charlotte, immer wollte ich so einen Wagen bestimmt nicht fahren. Das ist auch kein Serienmodell, den gibt’s so nie zu kaufen. Spaß macht es eben, wenn du Leistung im Überluß hast und locker alles überholen kannst. Privat fahren wir einen Toyota Auris. Ganz brav und ohne die vielen PS 😀
LikeLike
Erinnert auch mich an Dinge, die ich früher erlebt habe. Ich hab’s mit glänzenden Augen gelesen 😉
LikeLike
Manches sollte man erleben, manches nicht. Aber es hat Spaß gemacht 🙂
LikeLike
Toll geschrieben. Tolle Aktion! 😉
LikeLike
Rasant, rasend. Immer muss ich das nicht machen 😉
LikeLike
Du bist so ein Proll! 😉 Witzig, dass dein Konkurrent auch noch ein Kölner war. Die arme Yuki. Mit dir scheint es ja nie langweilig zu werden. Du scheinst aber trotz der Geschwindigkeit sicher zu fahren. Ich würde auch so gerne mal so einen Flitzer fahren. 🙂
LikeGefällt 1 Person
Wir haben vor Jahren die A-Lizenz erworben und auch diverse Fahrsicherheitskurse gemacht. Unsere Eltern haben das bezahlt. Yukis Vater arbeitet in der Autobranche. Und wir nun unter anderem auch. Aber das wirst du alles noch lesen. 🙂
LikeGefällt 1 Person
So ein ADAC Kurs macht sicher Spass! 🙂
LikeGefällt 1 Person
Bestimmt. Wir haben die zum Teil in Schweden gemacht.
LikeLike